Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 8
Das Vertragsstatut ist maßgebend für die Auslegung (vgl BGH NJW-RR 90, 248, 249 [BGH 24.11.1989 - V ZR 240/88] I 3; München NJWE-WettbR 96, 180, 181; Staud/Magnus Art 12 Rz 24). Das umfasst (1) die Auslegungsmethoden: bei dt Statut zB die Frage, ob und inwieweit europäische Vorgaben und Auslegungsmethoden zu beachten sind (Einleitung BGB Rn 35 f); und (2) die Auslegungsregeln: bei deutschem Statut §§ 133, 157 (s BGH aaO: ggf gilt ausländisches Auslegungsrecht; s auch Staud/Magnus Art 12 Rz 25 f zu >construction clauses’); für die Auslegung von Verträgen in englischer Sprache s grundlegend Triebel/Vogenauer.
Rn 9
Danach ist zB nach dem Vertragsstatut zu entscheiden: (1) ob und inwieweit Rechtsvorstellungen aus einer fremden, im Vertrag verwendeten Sprache zu berücksichtigen sind. S BGH NJW 87, 591 [BGH 16.10.1986 - III ZR 121/85]: Auslegung einer englischen Vertragsklausel nach Wortsinn und Bedeutung; BGH NJW-RR 92, 423, 425 [BGH 02.12.1991 - II ZR 274/90]: Auslegung einer Indemnity-Klausel nach englischem Rechtsverständnis bei deutschem Vertragsstatut; Hambg VersR 96, 229, 230; Triebel/Balthasar NJW 04, 2189, 2193; zur Ermittlung des Wortsinns fremdsprachlicher Vertragsbestimmungen: Soergel/v Hoffmann Art 32 EGBGB Rz 12; MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 34 ff: generell – auch bei AGB – kommt es auf den dem anderen Teil erkennbaren Parteiwillen (im Gegensatz zum objektiven Sinn für Dritte) an; Sonderfall: Bei für den internationalen Rechtsverkehr mit einheitlichem Inhalt geschaffenen Klauselwerken wie den INCOTERMS (2020) ist ihre internationale Ausrichtung zu berücksichtigen (MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 25, 46; Staud/Magnus Art 12 Rz 31).
Rn 10
(2) wer das Sprachrisiko trägt: Wer die deutsche Sprache wählt, übernimmt das Risiko der Abfassung des Vertrags in deutscher Sprache (BGHZ 87, 112, 113 f; s zum Risiko von englischer Sprache bei deutschem Recht MAHIntWirtR/Brödermann § 6 Rz 146 ff und grundlegend Triebel/Vogenauer); (3) wie ein irrtümlich in der Annahme der Geltung eines anderen Rechts ausgehandelter Vertrag auszulegen ist: Handeln unter falschem Recht (MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 39f); (4) ob und inwieweit Verkehrssitten zu berücksichtigen sind: (a) Erklärungssitten (zB ›freibleibend‹, ›fob‹, BGHZ 60, 5, 8; MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 24) und (b) echte Verkehrssitten (MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 55f).
Rn 11
Wegen der Verweisung in Art 10 I (ex Art 31 EGBGB) entscheidet praktisch stets auch das (hypothetische) Vertragsstatut, ob Dissens oder Konsens vorliegt (Art 10 Rn 8); BGHZ 154, 110, 114 (zu ex Art 32 EGBGB): Die Norm umfasse auch den ›Abschluss‹ des Vertrages; MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 8: Unterscheidung zum Vertragsstatut nicht sinnvoll.
Rn 12
Diese Grundsätze gelten auch für den Rechtswahlvertrag (Art 3 Rn 8; BGH NJW-RR 90, 248, 249 [BGH 24.11.1989 - V ZR 240/88]): Eine konkludente Rechtswahl muss sich eindeutig aus den Umständen des Falles ergeben (Art 3 I 1). S.a. Art 22 Rn 2 zur unklaren Rechtswahl (›amerikanisches‹ Recht).