Prof. Dr. Eckart Brödermann
1. Personenstand, Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit von natürlichen Personen (lit a).
Rn 11
Die Verordnung ist nicht anwendbar auf den Personenstand und die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen (zur Frage der Anknüpfung von Rechtsfähigkeit Künstlicher Intelligenz Arnold IPRax 22, 13); Ausnahme: Art 13.
2. Schuldverhältnisse aus Familienverhältnissen oder Verhältnissen gleicher Wirkung (lit b).
Rn 12
Der Ausschluss familien- und erbrechtlicher Verhältnisse – früher in Art 1 II lit b EVÜ – ist auf Art 1 II lit b und c aufgespalten. Diese Bereiche werden teilweise durch besondere Verordnungen geregelt: S (1) die Verordnung des Rates (EG) Nr 4/2009 über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich von Unterhaltssachen (ABl 2009 L 7/1) vom 18.12.08, unten IPR-Anh 7 (sie enthält in ihrem Art 15 eine Gesamtverweisung auf das HaagUntProt, s IPR-Anh 8); (2) die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 10 (ABl 2010 L 343/10) zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (ROM III), die für Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland (ABl EU 2016 L 216/23), Frankreich, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Österreich, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien und Ungarn gilt (s IPR-Anh 3).
Rn 13
Lit b betrifft Schuldverhältnisse aus Familienverhältnissen und – auch insoweit eine Neuerung im Vergleich zum EVÜ – aus Verhältnissen gleicher Wirkung (s zB § 1353 BGB nF). Familienverhältnisse sollen nach Erw 8 S 1 die Verwandtschaft in gerader Linie, die Ehe, die Schwägerschaft und die Verwandtschaft in der Seitenlinie umfassen. Ob ein Verhältnis mit Familienverhältnissen vergleichbare Wirkung aufweist, ist nach der lex fori auszulegen (Erw 8 S 2). Erfasst werden sollen dadurch insb gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften (Leible/Lehmann RIW 08, 528, 530).
3. Schuldverhältnisse aus ehelichen und eheähnlichen Güterständen, aus Testamenten und Erbrecht (lit c).
Rn 14
Lit c behandelt Schuldverhältnisse aus ehelichen und eheähnlichen Güterständen, aus Testamenten und Erbrecht. Über das Vorliegen eines eheähnlichen Güterstandes entscheidet die lex fori (Erw 8 S 2). Schuldverhältnisse aus Erbrecht meint solche aus gesetzlicher Erbfolge im Gegensatz zur gewillkürten Rechtsnachfolge (Leible/Lehmann RIW 08, 528, 530). Auch diese Bereiche wurden unionsrechtlich neu geregelt: S (1) die Verordnungen des Rates vom 24.6.16 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts EuGüVO(s IPR-Anh 5), und (2) über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften EuPartVO (s IPR-Anh 6; Art 17b EGBGB Rn 10f); (3) die EuErbVO; dort Art 20–38 zum IPR (s IPR-Anh 11); zur Abgrenzung und zu Qualifikationsproblemen Dörner ZEV 19, 309; zur Möglichkeit von Gerichtsstandvereinbarungen im Bereich des Erbrechts s Magnus IPRax 13, 393; zur Rechtswahl s Schoppe IPRax 14, 27; Döbereiner DNotZ 14, 323; Heinig RNotZ 14, 281; Pazdan, in FS Martiny [14], 489; Leitzen ZEV 13, 128; zu Erbverträgen s Nordmeier ZEV 13, 117; zur Geltung der bilateralen Staatsverträge im Internationalen Erbrecht s Mankowski ZEV 13, 529; zum Erbrecht für registrierte Lebenspartner s Coester ZEV 13, 115; zu gemeinschaftlichen Testamenten s Nordmeier ZEV 12, 513; Dörner ZEV 12, 505; zur Anwendbarkeit der EuErbVO in erbrechtlichen Schiedsverfahren s Mankowski ZEV 14, 395; zur Abgrenzung zwischen Erb- und Gesellschaftsrecht s Leitzen ZEV 12, 520; Lehmann ZEV 12, 533; Simon/Buschbaum NJW 12, 2393; Kunz GPR 12, 208 (Teil I) und GPR 12, 253 (Teil II); Lehmann DStR 12, 2085; Janzen DNotZ 12, 484. IÜ s beispielhaft Dutta/Weber, Internationales Erbrecht, 2. Aufl 21.
4. Wechsel-, Scheck-, Eigenwechsel- und Wertpapierverpflichtungen (lit d).
Rn 15
Die Ausnahme wertpapierrechtlicher Verpflichtungen entspricht der in Art 1 lit c EVÜ, ex Art 37 Nr 1 EGBGB.
Rn 16
Ausgeschlossen vom Anwendungsbereich sind wertpapierrechtliche Verpflichtungen aus Wechseln (bills of exchange) – auch Eigenwechseln (promissory notes, vgl bereits Art 1 II c EVÜ; Staud/Magnus Art 1 Rz 64, ausf Anh I Art 1 Rz 3–20) – und Schecks (cheques) sowie aus der Handelbarkeit von anderen Inhaber- und Orderpapieren. Dabei ist Begriff der Handelbarkeit einheitlich auslegbar (MüKoIPR/Martiny Art 1 Rz 60; s eingehend Rauscher/von Hein Art 1 Rz 32–33). Er umfasst die im Interesse der Verkehrsfähigkeit besonders durch Abstraktheit und Formstrenge ausgestalteten Verpflichtungen (vgl BTDrs 10/504 S 84 zum ex Art 37 EGBGB). Ausgeschlossen sind deshalb die schuldrechtlichen Folgen aus der Übertragung durch Indossament oder durch Übergabe des Wertpapiers, zB gutgläubiger Erwerb des Anspruchs aus dem Papier und weitgehender Einwendungsausschluss (vgl BTDrs 10/504 S 84 zum ex Art 37 EGBGB; Staud/Magnus Art 1 Rz 69); im Übrigen besteht noch ein ›beachtlicher Auslegungsspielraum‹ (Staud/Magnus Art 1 Rz 71).
Rn 17
Hingegen ist nach der lex fori einschl des dort geltenden IPR zu entscheiden, ob ein Dokument als handelbares Papier einzuordnen ist (BTDr...