Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 20
Obwohl im ROM I zunächst nicht vorgesehen, wurde in III eine Ausweichklausel aufgenommen. Auf sie sollte zunächst zum Zwecke der Rechtssicherheit verzichtet werden, um den Grundsatz der charakteristischen Leistung in Art 4 II zu stärken und keine Missbrauchsmöglichkeit im Wege des Entscheidungsspielraums zu eröffnen (Martiny ZEuP 08, 79, 93). Der angestrebte Verzicht auf die Ausweichklausel wurde mit Blick auf die Flexibilität und Einzelfallgerechtigkeit stark kritisiert (MPI RabelsZ (07) 225, 256 ff; Leible/Lehmann RIW 08, 528, 536). Mit Erfolg:
Rn 21
III dient der Einzelfallkorrektur der nach I und II erlangten Ergebnisse für den Fall, dass der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist (eingehend Rauscher/Thorn Art 4 Rz 134 ff). Im Gegensatz zur Ausweichklausel des ex Art 28 V EGBGB muss die engere Verbindung jedoch ›offensichtlich‹ sein, was wiederum auf die mit ROM I intendierte Rechtssicherheit zurückzuführen ist. Konkretes Vorbild war Art 4 III ROM II (Mankowski IHR 08, 133, 137). ›Offensichtlich‹ meint nicht die Feststellbarkeit, sondern eine ›rechtliche Gewichtigkeit‹ (Pfeiffer EuZW 08, 622, 626), eine engere Verbindung, die ›evident‹, ›manifest‹ ist (Mankowski IHR 08, 133, 137). Hierbei ist maßgeblich, dass mehrere Anhaltspunkte existieren, die in ihrer Häufigkeit einen eindeutigen Schwerpunkt im Bereich einer anderen Rechtsordnung ergeben (Grüneberg/Thorn, Art 4 Rz 29). In der Praxis spielen miteinander verknüpfte Verträge unter den gleichen Parteien oder mit Dritten eine große Rolle. Dann stellt sich die Frage, ob die Verträge so miteinander verbunden sind, dass sie untereinander evident in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen und letztlich ein Ganzes bilden, so dass die Einheitlichkeit der Anknüpfung sinnvoll und interessengerecht ist (vgl MüKoIPR/Martiny Art 4 Rz 302 f; zur Systematisierung insgesamt MüKoIPR/Martiny Art 4 Rz 301–311; Okoli JPInt'lL 13, 449). Die rein äußerliche Verbindung (zB in einer Urkunde) führt nicht zwingend zur einheitlichen Behandlung. Es ist denkbar, einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang in mehrere Teilverträge zu spalten. Bei Verträgen, die einen Hauptvertrag notwendigerweise ergänzen oder abändern, kommt eine manifest engere Verbindung iSv III in Betracht. Ebenso mögen Einzelverträge, die unter einem Rahmenvertrag geschlossen werden, evident enger mit dem Recht des Rahmenvertrags als dem nach Art 4 I maßgeblichen Recht verbunden sein (vgl Staud/Magnus Art 4 Rz 136; aA Ddorf NJW-RR 97, 822 [OLG Düsseldorf 11.07.1996 - 6 U 152/95]); wegen des eigenständigen Charakters der Vertragshändlerbeziehung passt diese Wertung nicht für den Rahmenvertrag eines Vertragshändlers mit den darunter abgeschlossenen Kaufverträgen.