Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 32
Das Vertragsstatut bestimmt die Folgen einer Vertragsverletzung (BGHZ 153, 244, 248), ist aber – arg ›insb‹ in I (iE ebenso ex Art 32 I Nr 3 EGBGB u Art 10 I lit c EVÜ) – auch auf die Voraussetzungen anzuwenden (soweit man das Vertragsstatut nicht bereits insoweit nach Art 12 I lit b – Art 10 I lit b EVÜ heranzieht); s BGH NJW-RR 06, 1694, 1695 [BGH 29.06.2006 - I ZR 168/03]: zB den Verschuldensmaßstab, Anforderungen an Kausalität, Haftung für Erfüllungsgehilfen (s.o. Rn 15), Mitverschulden des Gläubigers und seiner Gehilfen (MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 83, 93), Erfordernis des schuldhaften Handelns des Schuldners (so BGH NJW-RR 06, 1694, 1695 [BGH 29.06.2006 - I ZR 168/03]; insgesamt ebenso Grüneberg/Thorn Art 12 Rz 7). Für die Beweisführung gilt teils Art 18, teils die lex fori.
Rn 33
Nichterfüllung umfasst jede Abweichung der erbrachten von der geschuldeten Leistung (MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 80): dauernde Unmöglichkeit (implizit BGHZ 83, 197, 201f); Schlechterfüllung/Sachmängel (implizit BGH NJW 96, 3001, 3002; auch versteckte Mängel: Mayer/Heuzé Rz 798), Verzug (Frankf RIW 94, 778, 780; Köln RIW 93, 414, 415 f: zB ob Mahnung erforderlich).
Rn 34
Bei der Verletzung von Nebenpflichten, zB Mitwirkungspflichten des Gläubigers – s Rn 25 – ist zu unterscheiden: Das Vertragsstatut regiert enttäuschte Leistungserwartungen (BGHZ 123, 201, 207: falsche Auskunft; Ddorf RIW 84, 234, 235: fehlerhaftes Transportgut; s.a. Hamm RIW 03, 305, 306), das Internationale Deliktsrecht (ROM II) verletztes Integritätsinteresse (s Art 4 iVm 2 ROM II, vgl MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 82).
Rn 35
Die Folgen vollständiger oder teilweiser Nichterfüllung, über die das Vertragsstatut entscheidet, sind vielfältig. Sie umfassen zB: (1) das Recht, Einreden zu erheben (MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 67) und Zurückbehaltungsrechte geltend zu machen (München IPRax 20, 314; MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 68 f; Reithmann/Martiny/Martiny Rz 3.170), wobei zivilprozessual die Zuständigkeit des deutschen Gerichts Voraussetzung für deren Berücksichtigung in einem deutschen Prozess ist (BGH NJW 79, 2477, 2478; zweifelhaft für den Anwendungsbereich von Brüssel Ia (früher EuGVO), vgl Rn 38 zum Parallelfall der Aufrechnung);
(2) Zulässigkeit einer Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313; BGH WM 69, 1140, 1141; MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 84; Reithmann/Martiny/Martiny Rz 3.143), soweit das Vertragsstatut dieses Rechtsinstitut kennt (s.o. Rn 16); (3) ggf Leistungsbefreiung wegen höherer Gewalt (aaO);
Rn 36
(4) Rücktritt; (5) ggf zuvor zu erfüllende Gläubigerpflichten (zB Nachfristsetzung, MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 88); (6) gerichtliche Vertragsauflösung (zB die Feststellung der Nichtigkeit bei französischem Vertragsstatut nach Art 1178 C civ – nF 2017 – auch durch den deutschen Richter, vgl. MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 91 zu Art 1184 aF Code civil);
Rn 37
(7) Schadensersatz (BGH NJW 76, 1581, 1581 [BGH 30.03.1976 - VI ZR 143/74]; JR 77, 19, 19 f; s ferner Art 18 Rn 11 zur Beweisführung und Pauschalierung); (8) Zinsen (BGH WM 64, 879, 881; Hamm FamRZ 91, 1319, 1322; Rostock IPRax 00, 230, 231; zT str, s mwN MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 97 ff; Staud/Magnus Art 12 Rz 57) und Inflationsausgleich (MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 100). Gilt das CISG (vgl Vor ROM I Rn 16), bestimmt das nach Art 3 ff bestimmte Vertragsstatut die Zinshöhe (Staud/Magnus Art 78 CISG Rz 12 ff).