Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 22
Der früher in ex Art 28 I EGBGB als Grundregel dienende Grundsatz der engsten Verbindung wird in IV nur noch hilfsweise herangezogen. Greift keine der Vertragsanknüpfungen nach Art 4 I und kann keine charakteristische Leistung ermittelt werden (Art 4 II), ist das Vertragsstatut nach dem Prinzip der engsten Verbindung nach IV zu bestimmen (zum Vertragsübernahmestatut s Selke IPRax 13, 205). Auch die engste Verbindung ist dabei objektiv zu bestimmen. Die objektive Anknüpfung des Art 4 führt stets zur Ermittlung einer engsten Verbindung und eines dann anwendbaren Rechts, weil rechtsordnungslose Verträge nicht bestehen.
Rn 23
Welche Umstände bei der Ermittlung der engsten Verbindung einbezogen werden, ist Auslegungsfrage und bedeutet eine Gesamtschau der Berührungspunkte mit einer Rechtsordnung (dazu eingehend MüKoIPR/Martiny Art 4 Rz 313–326). Dies sind Faktoren, die auch bei der Prüfung einer stillschweigenden Rechtswahl gem Art 3 I 2 von Bedeutung sind (dazu Art 3 Rn 11 ff). In Abgrenzung zu Art 3 kann es jedoch nur um objektive Gegebenheiten handeln, wie zB der gewöhnliche Aufenthalt der Vertragsparteien (Staud/Magnus Art 4 Rz 152; Ferrari/Bischoff in Ferrari Rome I Art 4 ROM I Rz 89). Gerichtsstandklausel und Schiedsklausel sollen keine Indizwirkung mehr haben und nur bei einer stillschweigenden Rechtswahl berücksichtigt werden können (dazu s Staud/Magnus Art 4 Rz 163; MüKoIPR/Martiny Art 4 Rz 329f). Der Erfüllungsort kann uU Bedeutung haben (BAG IPRax 91, 407; MüKoIPR/Martiny Art 4 Rz 335); ebenfalls der Belegenheitsort (s Staud/Magnus Art 4 Rz 153). Die Staatsangehörigkeit ist regelmäßig nur ein schwaches Indiz (MüKoIPR/Martiny Art 4 Rz 337; so auch NK-BGB, Bd. 6, Hüßtege/Mansel/Leible Art 4 Rz 89: an ihre Stelle ist vielfach der gewöhnliche Aufenthalt getreten; Ferrari/Bischoff in Ferrari Rome I, Art 4 ROM I Rz 100), noch weniger der Abschlussort (vgl BGH NJW 76, 1581), die Vertragssprache oder die Währung (BAG IPRax 91, 407 [BAG 24.08.1989 - 2 AZR 3/89]). Der Ort der Vertragsverhandlungen dürfte regelmäßig geringe Indizwirkung haben (BGH NJW-RR 11, 130 ff [BGH 11.11.2010 - VII ZR 44/10]), jedenfalls nur iVm anderen Indizien (vgl München NJW-RR 89, 663). Bei Verträgen mit den Staaten kann dessen Nationalität ein (nicht zwingendes) Indiz bieten (Staud/Magnus Art 4 Rz 161). Ua sind auch die Parteiinteressen zu berücksichtigen (dazu BGH NJW 76, 1581), die im Einzelfall ermittelt und gegeneinander abgewogen werden (vgl BGHZ 19, 110). Unter anderem soll dabei der Umstand, ob der betreffende Vertrag in einer sehr engen Verbindung zu einem oder mehreren anderen Verträgen steht, Berücksichtigung finden (Erw 21).
Rn 24
In der Revision kann das Gericht überprüfen, ob die Vorinstanzen alle Umstände einbezogen haben, die für die objektive Anknüpfung des Vertragsstatuts von Bedeutung sein können (BGH NJW 87, 1114; die ältere Rspr differenzierte zT: BGH NJW 61, 25; AWD 65, 455; BGHZ 44, 183). Die Konkretisierung der objektiven Anknüpfung des Art 4 wird heute eindeutig als Rechtsfrage qualifiziert (so BGH NJW-RR 05, 206 [BGH 26.07.2004 - VIII ZR 273/03] u 11, 130 ff Rz 21; dazu MüKoIPR/Martiny Art 4 Rz 326; Ferrari/Ferrari Art 4 ROM I Rz 77).