Prof. Dr. Eckart Brödermann
Gesetzestext
(1) Diese Verordnung tritt in den Mitgliedstaaten an die Stelle des Übereinkommens von Rom, außer hinsichtlich der Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten, die in den territorialen Anwendungsbereich dieses Übereinkommens fallen und für die aufgrund der Anwendung von Artikel 299 des Vertrags diese Verordnung nicht gilt.
(2) Soweit diese Verordnung die Bestimmungen des Übereinkommens von Rom ersetzt, gelten Bezugnahmen auf dieses Übereinkommen als Bezugnahmen auf diese Verordnung.
A. Grundsatz: Ersetzung des EVÜ.
Rn 1
Art 24 regelt das Verhältnis zum EVÜ, das seinerseits dem internationalen Schuldvertragsrecht in ex Art 27 ff EGBGB (www.pww-oe.de) zu Grunde lag (s Vor ROM I Rn 2); insoweit wirkt Art 24 als lex specialis im Verhältnis zu Art 2. ROM I hat grds das EVÜ ersetzt (I, 1. Hs). Nach II werden zugleich alle Bezugnahmen auf das EVÜ in anderen Rechtsakten der Gemeinschaft durch Bezugnahmen auf ROM I ersetzt. Zur Verdrängung des EVÜ im Verhältnis zum VK auch nach dem BREXIT s Art 2 Rn 3.
Rn 2
Als Verordnung verdrängt ROM I zwar nationales IPR nach Art 288 II AEUV, sie konnte hingegen nicht das auf dem EVÜ beruhende internationale Schuldvertragsrecht in ex Art 27 ff EGBGB abschaffen; dies war dem deutschen Gesetzgeber vorbehalten (s Vor ROM I Rn 2).
B. Ausnahme: Hoheitsgebiete nach ex Art 299 EGV.
Rn 3
Eine Ausnahme gilt nach I, 2. Hs ›hinsichtlich‹ (frz sauf en ce qui concerne; engl except as regards) der sich aus ex Art 299 EGV – nunmehr Art 52 EUV iVm Art 355 AEUV – erschließenden Hoheitsgebiete von Mitgliedstaaten, für die (1) das EVÜ als Staatsvertrag gilt, (2) hingegen Rom I nicht gilt, weil dort auch der dieser Verordnung zu Grunde liegenden EUV nicht gilt. Insoweit tritt ROM I in den Mitgliedstaaten iSv Art 1 IV bzw im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten (arg frz Wortlaut: entre les États membres) nicht an die Stelle des EVÜ. Es bleibt damit bei der Anwendung des EVÜ für: (a) überseeische Länder sowie Hoheitsgebiete, die besondere Beziehungen zum Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland unterhalten und die in ex-Anh II des EGV aufgeführt sind, vgl ex Art 299 III EGV (Bsp: Französisch-Polynesien, Wallis und Futuna, Mayotte, Niederländische Antillen, Aruba); (b) die Hoheitszonen des Vereinigten Königreiches auf Zypern (Akrotiri und Dhekelia), Kanalinseln und die Isle of Man in den in ex Art 299 VI genannten Grenzen. Infolge des opt-in des Vereinigten Königreichs galt ROM I für das VK, inkl Gibraltar (s Ferrari/Schulze Art 24 Rz 4); für die Zeit ab dem BREXIT gilt ROM I in der englischen Sprachfassung nun als englisches Recht fort s Art 1 Rn 3.
Rn 4
Als Staatsvertrag ist das EVÜ nach völkerrechtlichen Grundsätzen (pacta sunt servanda, Art 26 WVRK) von allen Vertragsstaaten anzuwenden und damit auch von den deutschen Gerichten hinsichtlich der von I, 2. Hs erfassten Hoheitsgebiete (aA ohne Begründung Magnus IPRax 10, 27, 31). Die hier vertretene Auffassung orientiert sich am frz Wortlaut (s Rn 3), berücksichtigt den Vorrang des Völkerrechts, fördert für die betroffenen Gebiete den vom EVÜ bezweckten internationalen Entscheidungseinklang und entspricht damit einer Auslegung des EVÜ im Lichte der Ziele und Zwecke des Übereinkommens (Art 31 WVRK).
Rn 5
Art 24 trifft keine Aussage für das Verhältnis zwischen ROM I und dem EVÜ in Fällen mit Dänemarkbezug, weil Art 24 sich nur auf Mitgliedstaaten iSv Art 1 IV 1 und damit nicht auf Dänemark bezieht (Erw 46; insoweit auch NK-BGB, Bd. 6, Hüßtege/Mansel/Leible Art 24 Rz 4). Zu Dänemark s Art 25 Rn 2.