Gesetzestext
Mangels einer Rechtswahl gemäß Artikel 5 unterliegen die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes:
a) |
dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder anderenfalls |
b) |
dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern dieser nicht vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Gerichts endete und einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder anderenfalls |
c) |
dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen, oder anderenfalls |
d) |
dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts. |
Rn 1
Fehlt eine Wahl des anzuwendenden Rechts gem Art 5, so kommt es nach der Anknüpfungsleiter des Art 8 zu einer vierstufigen objektiven Anknüpfung.
Rn 2
In erster Linie entscheidet das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts (vgl Art 17 Brüssel IIb-VO) ihren gewöhnl Aufenthalt haben (lit a). Das gilt bei unterschiedlicher (Jena NJW 15, 2270), aber auch bei gleicher Staatsangehörigkeit (München FamRZ 14, 862 Anm Heiderhoff). Der Begriff des gewöhnl Aufenthalts ist verordnungsautonom u einheitlich auszulegen (BGH FamRZ 22, 1308 Rz 16; Erman/Stürner Rz 2), s.a. Art 5 EGBGB Rn 29. Es kommt auf den tatsächlichen Lebensmittelpunkt der Ehegatten an. Außer der Anwesenheit im Aufenthaltsstaat ist eine nicht genau festgelegte Dauer Voraussetzung (Helms FamRZ 11, 1765, 1769f). Dies kann auch bei einem abgelehnten Asylbewerber erfüllt sein (Frankf FamRZ 19, 1532). Auf einen etwaigen Diplomatenstatus kommt es nicht an (EuGH C-501/20, MPA, FamRZ 22, 1466 Anm Dimmler FamRB 22, 423), doch kann der gewöhnl Aufenthalt zweifelhaft sein (BGH FamRZ 24, 343). Bei der Privatscheidung ist maßgeblicher Zeitpunkt die Abgabe der Willenserklärung (Helms FamRZ 11, 1765, 1766).
Rn 3
Hilfsweise entscheidet das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnl Aufenthalt hatten (lit b). Die Anknüpfungskontinuität ist jedoch begrenzt. Vorausgesetzt wird, dass der Aufenthalt nicht vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Gerichts endete u einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts dort noch seinen gewöhnl Aufenthalt hat.
Rn 4
Ferner kommt es auf das Recht des Staates an, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen (lit c). Bei mehrfacher Staatsangehörigkeit (dazu Erw 22) entscheidet, da es um die engste Verbindung geht, die effektive Staatsangehörigkeit iSd Art 5 I 1 EGBGB (München NJW 15, 3264 [Vorlagebeschluss]; Helms FamRZ 11, 1765, 1770; Makowsky GPR 12, 266, 271; Fuchs FS Martiny [14], 303, 320 f; BeckOGK/Gössl Rz 47; MüKo/Winkler von Mohrenfels Rz 6. – Auf Effektivität verzichtet Mörsdorf-Schulte RabelsZ 77 [13] 786, 809f). Doch gilt der Eigenrechtsvorrang des Art 5 I 2 EGBGB bei einem Anknüpfungskonflikt mit einer drittststaatlichen Staatsangehörigkeit (BGH NJW 20, 3592 Rz 38, 39; Helms StAZ 21, 1, 3). Für Staatenlose u Flüchtlinge gelten die Ersatzanknüpfungen (Ddorf FamRZ 20, 167, 168; Grüneberg/Thorn Rz 4, aA Hausmann A Rz 328: lit c kommt nicht zum Zuge).
Rn 5
An letzter Stelle kommt es auf das Recht des Staates des angerufenen Gerichts (lex fori) an (lit d). Dies kommt zum Tragen, wenn gemischtnationale Ehegatten seit mehr als einem Jahr keinen gemeinsamen gewöhnl Aufenthalt mehr haben (Zweibr FamRZ 15, 2063). Deutsches Recht gilt demnach für Flüchtling mit deutschem Aufenthalt (Ddorf FamRZ 20, 167, 168).