A. Allgemeines.
Rn 1
Die VO (EU) 2016/1103 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts u der Anerkennung u Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands (EuGüVO) vom 24.6.16 (ABl EU 16 L 183/1) ist am 29.7.16 in Kraft getreten (Art 70 I). Sie gilt ab 29.1.19 (Art 69) als unmittelbar anwendbares Recht (vgl Art 3 Nr 1 f EGBGB). Die VO stellt europäisches Sekundärrecht dar (vgl Art 288 II AEUV). Sie stützt sich auf die Kompetenzgrundlage der Art 326 ff AEUV für die verstärkte Zusammenarbeit. Vorangegangen war ein Kommissions-Entw von 2011 (dazu Martiny IPRax 11, 437 ff). Ergänzende Durchführungsbestimmungen zur VO enthält das Internationale Güterrechtsverfahrensgesetz (IntGüRVG; BGBl 18 I 2573 – dazu BTDrs 19/4852; Dutta FamRZ 19, 1390 ff). Wegen des Vorrangs der EuGüVO wurden die Art 3a, 15, 16 EGBGB aufgehoben sowie Art 14, 17, 17a u 17b EGBGB geändert (Art 2 IntGüRVGEG, BGBl 18 I 2573). Zu beachten ist jedoch die Übergangsvorschrift des Art 229 § 47 (dazu ex-Art 15 EGBGB PWW-Online-Ergänzungsband Rn 38 ff; www.pww-oe.de – Vorschläge zur Durchführungsgesetzgebung bei Heiderhoff IPRax 17, 231 ff).
Rn 2
Die VO umfasst sowohl die Bestimmung des anwendbaren Rechts als auch das Verfahrensrecht; es handelt sich um eine sog gemischte VO (zum Inhalt Dutta FamRZ 16, 1973; Henrich ZfRV 16, 171; Kohler/Pintens FamRZ 16, 1509, 1510 ff; Kroll-Ludwigs GPR 16, 231; Meise RNotZ 16, 485, 553; Rodriguez Rodrigo/Miller NZFam 16, 1065; J Weber DNotZ 16, 424, 659; Mansel/Thorn/Wagner IPRax 17, 1, 4; Martiny ZfPW 17, 1; Heiderhoff IPRax 18, 1 ff; Kemper FamRB 19, 32 ff; Ring/Olsen-Ring ZErb 19, 313 ff; Dutta/Weber, Hrsg, Die Europäischen Güterrechtsverordnungen, 2017), die auch eine Rechtswahl zulässt (Meise RNotZ 16, 485 ff; Döbereiner Notar 18, 244, 250 ff). Die VO regelt ihren Anwendungsbereich in Kap I (Art 1–3), sodann in Kap II die Zuständigkeit (Art 4–19, s Rn 5). In Kap III finden sich Vorschriften zum anzuwendenden Recht (Art 20–35). Kap IV behandelt die Anerkennung, Vollstreckbarkeit u Vollstreckung von Entscheidungen (Art 36–57; s Rn 7), Kap V öffentliche Urkunden u gerichtliche Vergleiche (Art 58–60). Kap VI enthält allg u Schlussbestimmungen (Art 61–70), darunter auch Vorschriften zur zeitlichen Anwendbarkeit (Art 69, 70).
Rn 3
Bei der Auslegung der EuGüVO ist iA eine verordnungsautonome Auslegung zu bevorzugen. Es gelten die allg Regeln des Unionsrechts für die Auslegung von Sekundärrecht. Wertvolle Hinweise enthalten die Erwägungsgründe. IÜ ist der Zusammenhang m anderen europäischen Verordnungen, ihrer Begrifflichkeit u dem Fallrecht des EuGH zu wahren (Andrae IPRax 18, 221; Mankowski NZFam 21, 757f). Bei Anwendung der VO sind auch die von der EU-Grundrechte-Charta anerkannten Grundrechte u Grundsätze zu achten (Erw 73). Alle Sprachfassungen der VO sind gleichermaßen verbindlich. Das Verständnis mancher Textpassage fällt jedoch leichter, wenn man berücksichtigt, dass die Endfassung in erster Linie in englischer Sprache ausgearbeitet wurde.
Rn 4
Fragen des AT werden von der EuGüVO nur tw angesprochen, so zB die Anpassung in Art 29. Die Anknüpfung der Vorfrage (dazu Art 3 EGBGB Rn 46 ff) ist nicht geregelt. Eine einheitliche Haltung zur Vorfragenproblematik im europäischen Kollisionsrecht gibt es noch nicht. Die Lösung ist für den jeweiligen kollisionsrechtlichen Zusammenhang zu finden. Häufig wird eine selbständige Anknüpfung in Betracht kommen (dafür grds Heiderhoff IPRax 18, 1, 4; Junker IPR § 18 Rz 32 [für Ehe]; dagegen erfolgt eine unselbständige Anknüpfung nach dem Kollisionsrecht des für die Hauptfrage maßgeblichen Rechts; unentschieden Bonomi, in Dutta/Weber 123, 140). Unselbstständige Anknüpfung der Erstfrage nach Ehe, Ziereis NZFam 19, 237, 241.
B. Internationale Zuständigkeit.
Rn 5
Die VO stellt in Kap II (Art 4–19) mehrere Zuständigkeitsgründe zur Verfügung (zur örtl Zuständigkeit § 3 IntGüRVG). Und zwar handelt es sich um eine Zuständigkeit bei Tod eines Ehegatten (Art 4), bei Ehescheidung u Ehetrennung (Art 5), andere Fälle (Art 6), die Gerichtsstandsvereinbarung (Art 7), die rügelose Einlassung (Art 8), eine alternative Zuständigkeit (Art 9), eine subsidiäre Zuständigkeit (Art 10), eine Notzuständigkeit (Art 11) sowie Widerklagen (Art 12), s Dutta FamRZ 19, 1390 ff; Kemper FamRB 19, 32, 38 ff; Wendland IPRax 19, 1 ff; Ziereis NZFam 19, 237, 238 ff. Geregelt werden auch Rechtshängigkeit u einstweilige Maßnahmen. Es muss sich um ein Gericht iSd Art 3 II handeln.
Rn 6
Art 4 u 5 beruhen auf dem Gedanken einer akzessorischen Zuständigkeit. Die güterrechtl Zuständigkeit soll der erbrechtlichen oder Scheidungszuständigkeit folgen. Dies geschieht im Interesse von Prozessökonomie u erleichterter Rechtsanwendung. Häufig kommt es zu einem Gleichlauf zwischen lex fori u lex causae. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 3 IntGüRVG.
C. Anerkennung.
Rn 7
Die Anerkennung, Vollstreckbarkeit u Vollstreckung von Entscheidungen werden in Kap IV (Art 36–57) geregelt (Durchführungsbestimmungen in §§ 4...