Gesetzestext
(1) 1Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen. 2Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen.
(2) 1Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. 2Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung geschult, gilt dies als Erfüllung seiner Pflichten nach Absatz 1.
(3) Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.
(4) Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte nach § 7 Abs. 1 benachteiligt, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen.
(5) 1Dieses Gesetz und § 61b des Arbeitsgerichtsgesetzes sowie Informationen über die für die Behandlung von Beschwerden nach § 13 zuständigen Stellen sind im Betrieb oder in der Dienststelle bekannt zu machen. 2Die Bekanntmachung kann durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle oder den Einsatz der im Betrieb oder der Dienststelle üblichen Informations- und Kommunikationstechnik erfolgen.
A. Einordnung und Zweck.
Rn 1
§ 12 I setzt iVm § 164 IV SGB IX Art 5 RL 2000/78/EG um, § 12 V Art 8 RL 76/207/EWG, Art 10 RL 2000/43/EG, Art 12 RL 2000/78/EG. Die Norm begründet in Ausfüllung der Generalklausel (I) präventive (II), repressive (III), Schutz- (IV) und Bekanntmachungspflichten (V) des ArbG.
B. Generalklausel, Abs 1.
Rn 2
I verpflichtet den ArbG als Generalklausel zu II–V (BAG NZA 08, 223 [BAG 25.10.2007 - 8 AZR 593/06]) zu ›erforderlichen Maßnahmen‹ zum Schutz vor Diskriminierung. Erforderlichkeit ist objektiv zu bestimmen, Möglichkeiten des ArbG, zB aufgrund Betriebsgröße, sind jedoch zu berücksichtigen (BTDrs 16/1780, 37). Gem 2 muss der ArbG auch im Vorfeld einer möglichen Benachteiligung tätig werden, zB durch Schulungen (II), Führungsrichtlinien (Rn 7) oder Ethik-Codes (Verhaltenskodizes, idR als Betriebsvereinbarungen, § 87 I Nr 1 BetrVG); sie sind unter dem AGG neu zu bewerten (krit noch LAG Ddorf DB 06, 162).
C. Hinweispflichten, Abs 2.
Rn 3
Nicht überschätzt werden kann die tatsächliche und rechtliche Bedeutung der Schulungen (II) zur Vermeidung von Benachteiligungen. Gem II 2 erfüllt der ArbG mit der Schulung seine Pflichten nach I, Organisationsverschulden scheidet dann für den Erstverstoß eines ArbN aus (›Training Defense‹; iE § 15 Rn 3; Oberthür ArbRB 12, 180).
Rn 4
Bloß schriftliche Information reicht nicht aus, ›Schulung‹ impliziert interaktives Lernen; ausreichend jedoch Schulung iRe Betriebsversammlung oder interaktiv mittels EDV-Programmen (Zielke/Stauf AiB 07, 104 ff). Der ArbG sollte Schulung und Teilnehmer dokumentieren.
Rn 5
Erfolgt Schulung iRd betrieblichen Fortbildung, besteht Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates (§ 96 ff BetrVG), auch Schulung außerhalb betrieblicher Fortbildung reicht aus und ist nicht mitbestimmungspflichtig (BKG § 12 Rz 25). Ein Initiativrecht des Betriebsrates besteht nicht (Besgen BB 07, 213).
Rn 6
Gegenstand der Schulung (iE Hoch BB 07, 1732) muss zumindest sein die Darstellung der Diskriminierungsmerkmale gem § 1 und unzulässiger Diskriminierungshandlungen gem § 3, nicht zwingend auch der Rechtsfolgen. Führungskräfte sollten intensiver geschult werden als andere Mitarbeiter (Grobys NJW 06, 2952; aA Wisskirchen DB 06, 1497). Benachteiligungen durch sie werden nach §§ 31, 278 BGB zugerechnet (§ 15 Rn 2), durch andere Mitarbeiter hingegen nur bei Organisationsverschulden.
Rn 7
Sinnvoll sind auch Richtlinien für Führungskräfte zum Verhalten nach AGG (Schneider/Sittard NZA 07, 654; Grobys NJW 06, 2952); kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 I Nr 1 BetrVG, da reine Organisationsentscheidung des ArbG.
Rn 8
Schulungen neu hinzukommender Arbeitnehmer sollten möglichst im Halbjahresrhythmus, Wiederholungsschulungen bereits geschulter ArbN im Abstand von 3–5 Jahren stattfinden (Göpfert/Siegrist ZIP 06, 1716). Nur für die Überbrückungszeit reicht eine schriftliche Unterrichtung statt interaktiver (Rn 4) aus, da auch die betrieblichen Möglichkeiten zu berücksichtigen sind (BTDrs 16/1780, 37).
Rn 9
Schulung betriebsfremder Personen verlangt § 12 nicht; Hinweise in AGB sind ratsam, Reaktionen auf diskriminierende Handlungen Dritter erforderlich (IV; Rn 16).
D. Reaktionspflichten gegenüber Beschäftigten, Abs 3.
Rn 10
Repressive Maßnahmen verlangt III als Reaktion auf einen Verstoß, Ziel ist auch hier die Vermeidung weiterer Verstöße. Arbeitsrechtlich ist verhältnismäßige Maßnahme gegen den Benachteiligenden berechtigt, weil dieser vertragliche Pflichten gem § 7 III verletzt.
Rn 11
III nennt als mögliche Reaktionen Abmahnung (LAG Sa BeckRS 11, 73723), Umsetzung, Versetzung (LAG Hamm NZA 97, 769 [LAG Hamm 22.10.19...