Gesetzestext
A. Einordnung und Zweck.
Rn 1
I setzt Art 11 II RL 2000/43/EG, Art 2 V, 13 II RL 2000/78/EG, Art 8b II, 3 RL 76/207/EWG um. Zweck ist, die genannten Adressaten zur aktiven Umsetzung des AGG aufzufordern (BTDrs 16/1780, 39). II gibt dazu Rechte in Anlehnung an § 23 III BetrVG.
B. Appell zur Mitwirkung, Abs 1.
Rn 2
I begründet keine Rechte oder Pflichten, sondern hat nur Appellcharakter. Tarifvertragsparteien sind ArbG, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, ArbG sind in § 6 II (§ 6 Rn 5), Beschäftigte in § 6 I definiert (§ 6 Rn 2 f), Vertretungen sind Betriebsrat, Personalrat, Sprecherausschuss, nicht jedoch Aufsichtsrat nach §§ 4 ff DrittelbG oder §§ 8 ff MitbestG. Gegenstand zB: Prüfung von Personalprozessen auf Benachteiligungsschutz und ggf Korrektur; Vereinbarung von Verhaltenskodizes (BTDrs 16/1780, 39), Tätigwerden des Betriebsrates insb bei Überprüfung von Betriebsvereinbarungen und Einzelmaßnahmen auf Vereinbarkeit mit AGG (§§ 75, 104 BetrVG), aber kein Initiativrecht aus § 17. Den
Tarifvertragsparteien obliegt die Beachtung des AGG bei Prüfung bestehender Tarifverträge und künftigen Tarifvertragsabschlüssen.
C. Unterlassungsanspruch, Abs 2.
Rn 3
II erstreckt den Unterlassungsanspruch des § 23 III BetrVG auch auf grobe Verstöße des ArbG gegen das AGG, gem 2 können Betriebsrat und Gewerkschaft jedoch nicht aus eigenem Recht Ansprüche des Benachteiligten geltend machen. II gilt nur in Betrieben nach § 1 I 1 BetrVG, ein Unterlassungsanspruch der Gewerkschaft jedoch auch in Betrieben ohne Betriebsrat (Besgen/Roloff NZA 07, 670). Für Dienststellen gilt das BetrVG und damit II nicht (aA Besgen/Roloff NZA 07, 671).
Rn 4
›Grob‹ iSv II ist ein Verstoß nach Grundsätzen von § 23 III BetrVG: Er muss objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein (BAG DB 10, 284; BB 09, 1917). Die Grobheit der Pflichtverletzung kann sich aus mehreren Wiederholungen ergeben, schwerwiegende Pflichtverletzungen können schon bei einmaligem Vorfall grob sein (BAG NZA 00, 1066). Der ArbG handelt nicht grob, wenn er in schwieriger und ungeklärter Rechtsfrage nach vertretbarer Rechtsauffassung handelt (BAG DB 10, 284; BB 09, 1917). Die umstrittene (iE Praxishandbuch BetrVG/Lingemann 1021) Rspr zum allg Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bei §§ 87, 95 BetrVG (BAG DB 97, 378; 94, 2450) gilt nicht für Verstöße gegen das AGG, denn im Gegensatz zu §§ 87, 95 BetrVG begründet das AGG – ebenso wie § 99 BetrVG (BAG NZA 09, 1430 [BAG 23.06.2009 - 1 ABR 23/08]) – keine eigenen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates.
Rn 5
Gegenstand des Antrages kann sein, ›alle Handlungen zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen‹. Ebenso wie bei § 12 II–IV (§ 12 Rn 14) kann wegen Ermessens des ArbG der Antrag idR nicht auf Vornahme einer bestimmten Handlung gerichtet werden.
Rn 6
Zuständig ist das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren (§§ 80 ff ArbGG), häufig wird ein Antrag auf einstweilige Verfügung vorausgehen. Es gilt die Amtsermittlungsmaxime. Nichterweislichkeit des groben Verstoßes geht zu Lasten des Antragstellers, § 22 gilt nicht (BKG § 17 Rz 28 mwN; Grüneberg/Weidenkaff § 17 Rz 3; aA Oberwinter/Ziegler FA 06, 266). Vollstreckung von Unterlassungs- oder Duldungstitel regelmäßig durch Ordnungsgeld (§ 23 III 2 BetrVG), von Titel auf Vornahme einer Handlung durch Zwangsgeld (§ 23 III 3 BetrVG).
Rn 7
II 2 schließt Vorgehen des Betriebsrates aus, soweit individuelle Ansprüche bestehen, gleich, ob auf Schadensersatz (§ 15), Unterlassung (§ 1004 BGB) oder Vornahme einer Handlung (§ 12 II–IV) (Klumpp NZA 06, 906; aA Besgen/Roloff NZA 07, 673). Erst recht können über § 17 nicht nach § 15 VI ausgeschlossene Ansprüche verfolgt werden (Kleinebrink ArbRB 07, 25).