Gesetzestext
(1) 1Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. 2Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.
(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(5) 1Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. 2Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.
A. Einordnung und Zweck.
Rn 1
§ 3 definiert die fünf zentralen Arten von Benachteiligungen: unmittelbare (I) und mittelbare Benachteiligung (II), Belästigung (III), sexuelle Belästigung (IV) und Anweisung zur Benachteiligung (V). Der Wortlaut hält sich eng an Art 2 II–IV RL 2000/43/EG, 2000/78/EG und 76/207/EWG sowie Art 2 lit a-d RL 2004/113/EG (BTDrs 16/1780, 32).
B. Unmittelbare Benachteiligung, Abs 1.
Rn 2
Die Unmittelbarkeit der Benachteiligung liegt darin, dass die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpft (BAG NZA 16, 681 [BAG 20.01.2016 - 8 AZR 194/14]). Eine mittelbare Benachteiligung (II) beruht demggü auf Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die dem Anschein nach neutral sind, aber zu einer Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes führen (Rn 11 ff).
Rn 3
Konkret ist die Benachteiligung bei weniger günstiger Behandlung des Betroffenen im Vergleich zu einer anderen Person in vergleichbarer Situation (BAG NZA 16, 625, 681 [BAG 22.10.2015 - 8 AZR 384/14]), also bei Ablehnung eines Bewerbers wegen eines Merkmals nach § 1. Nachteil liegt bereits in dem Versagen einer Chance. Demggü keine Benachteiligung, wenn Bewerbung dem ArbG im Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung noch nicht vorlag (BAG AuA 10, 544). Benachteiligung aufgrund hypothetischer Vergleichsbetrachtung ist die ungünstigere Behandlung, die ein Betroffener ggü einer hypothetischen Vergleichsperson ›erfahren würde‹, also die Ablehnung des Bewerbers wegen eines Merkmals nach § 1, obwohl ein anderer Bewerber mit gleichen Qualifikationen ohne das Merkmal eingestellt worden wäre, auch wenn die Stelle letztlich nicht besetzt wird (BAG NZA 13, 37 [BAG 23.08.2012 - 8 AZR 285/11]). Im ersten Beispielfall handelt es sich gleichzeitig auch um eine aktuelle Benachteiligung (›erfährt‹), in Betracht kommt aber auch eine zeitlich versetzte Ungleichbehandlung (›erfahren hat‹), wenn also in der Vergangenheit im letzten Beispielfall die Stelle mit einem gleich qualifizierten Bewerber ohne das Merkmal nach § 1 schon einmal besetzt worden war. Drohende nur abstrakte Gefahr löst keine Ansprüche aus (BTDrs 16/1780, 32). Unmittelbare Diskriminierung kommt auch in Betracht ohne konkretes Diskriminierungsopfer, zB bei diskriminierenden Äußerungen des ArbG in der Öffentlichkeit (EuGH NZA 08, 929 – Feryn; Bayreuther NZA 08, 988).
Rn 4
Behandlung kann auch ein Unterlassen sein (BTDrs 16/1780, 32), zB bei unterlassenem Vertragsabschluss, unterlassener Begünstigung oder dem Versagen einer Chance (BAG NJW 13, 2778 [BAG 21.02.2013 - 8 AZR 180/12]).
Rn 5
›Wegen‹ eines in § 1 genannten Grundes erfolgt die Benachteiligung auch, wenn er nur eines von mehreren Motiven innerhalb eines Motivbündels ist (§ 7 Rn 4, § 2 Rn 17; BVerfG NJW 94, 647 f; BAG NZA 19, 1492; 17, 310; BGH NZA 12, 797, dazu Lingemann/Weingarth DB 12, 2325).