A. Umsetzung von Richtlinien.
Rn 1
Das G zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung – Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – dient der Umsetzung folgender Richtlinien: 2000/43/EG vom 29.6.00 (Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft) (ABlEG Nr L 180 22), 2000/78/EG vom 27.11.00 (Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf) (ABlEG Nr L 303 16), 2002/73/EG vom 23.9.02 (Gleichbehandlung von Männern und Frauen) (ABlEG Nr L 269 15), ersetzt durch Richtlinie 2006/54/EG vom 5.7.06 (ABlEG Nr L 204 23), und 2004/113/EG vom 13.12.04 (Gleichbehandlung von Männern und Frauen außerhalb der Arbeitswelt) (ABlEU Nr L 373 37).
Rn 2
Am 18.8.06 ist das G in Kraft getreten. Für das Zivilrecht gelten Übergangsfristen (§ 33 Rn 2), für das Arbeitsrecht nicht (§ 33 Rn 1). Ziel ist es, Benachteiligungen aus den in § 1 (§ 1 Rn 3 ff) genannten Gründen zu verhindern oder zu beseitigen, § 1 AGG.
Rn 3
Das AGG geht zT über die RL hinaus, insb in § 19 (§ 19 Rn 3). Allerdings bleibt es möglicherweise auch vereinzelt dahinter zurück, was insb hinsichtlich § 15 I (§ 15 Rn 4) diskutiert wird.
B. Gesetzesaufbau.
Rn 4
Nach allg Teil (§ 1–5) mit Regelungen und Begriffsbestimmungen, die für alle betroffenen Rechtsgebiete gleichermaßen gelten, regelt das AGG insb den Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung (§§ 6–18), im Anschluss den Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr (§§ 19–21). Es folgen Einzelheiten zur Beweislast (§ 22), Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände (§ 23), Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse (§ 24), Antidiskriminierungsstelle des Bundes (§§ 25–30), Unabdingbarkeit (§ 31), sowie Schluss- (§ 32) und Übergangsbestimmungen (§ 33). Bisher geltende Regelungen zur Verhinderung von Benachteiligungen wurden zT mit Erlass des AGG geändert oder aufgehoben, insb §§ 611a (aF), b, 612 III BGB, § 164 II 2 SGB IX.
C. Prüfungsfolge.
Rn 5
Das AGG unterscheidet zwischen unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligungen, Belästigungen, sexuellen Belästigungen und Anweisungen zur Benachteiligung (§ 3 Rn 2, 11, 31, 42) wegen eines in § 1 genannten Grundes. Wird eine Ungleichbehandlung in Form unmittelbarer Benachteiligung festgestellt, bleibt zu prüfen, ob sie nach §§ 5, 8–10, 20 gerechtfertigt ist. Eine mittelbare Benachteiligung liegt gem § 3 II schon tatbestandlich nicht vor, wenn in § 3 II Hs 2 genannte sachliche Gründe greifen. Belästigung und sexuelle Belästigung gelten unter den in § 3 IV genannten Voraussetzungen als Benachteiligung; für sie dürfte Rechtfertigung ausscheiden. Subjektiv empfundene Benachteiligungen lösen das Beschwerderecht aus (§ 13); das Leistungsverweigerungsrecht (§ 14) (nur bei (sexuellen) Belästigungen) setzt zusätzlich Untätigbleiben oder offensichtlich ungeeignetes Tätigwerden des ArbG voraus. Anspruch auf Entschädigung (§ 15 II) entsteht nur bei Nichtvermögensschaden verschuldensabhängig, Anspruch auf Schadensersatz (§ 15 I) bei Vermögensschaden, jedoch nur, wenn ArbG sich nicht exkulpieren kann. Der ArbG haftet für Benachteiligungen durch Organe nach § 31 BGB und Führungskräfte nach § 278 BGB (§ 15 Rn 2); Benachteiligungen durch andere ArbN werden dem ArbG als Pflichtverletzung zugerechnet, wenn er ArbN nicht ausreichend geschult (§ 12 I, II) oder auf Verstöße nicht ausreichend reagiert hat (§ 12 III, IV).
D. Bisherige Rechtslage.
Rn 6
Schon vor Inkrafttreten des AGG gab es zahlreiche völkerrechtliche, grundgesetzliche und einfachgesetzliche Regelungen zur Vermeidung von Diskriminierungen, über §§ 611a (aF), b, 612 III BGB hinaus insb die Generalklauseln, §§ 138, 242 BGB (Übersicht bei BKG, Einl Rz 24 ff).
E. Unmittelbare Geltung der Richtlinien?
Rn 7
Seit EuGH NZA 05, 1345 – Mangold/Helm (dazu BKG Einl Rz 51 ff; Bauer/Arnold NJW 06, 6) tendiert der EuGH dazu, europarechtliche Diskriminierungsverbote auch unmittelbar zwischen Privaten als ›allg Grundsatz des Unionsrechts‹ anzuwenden (EuGH NZA 18, 569 – Egenberger; NZA 16, 537 – Dansk Industri; NZA 10, 85 – Kücükdeveci, Anm Lingemann ArbR 10, 64; EuGH aaO Tz 75; BAG NZA 06, 1165; s.a. § 611 BGB Rn 36). Die damit verbundene Unanwendbarkeit gesetzlicher Regelungen ist eine strukturell bedeutsame Verschiebung des Kompetenzgefüges zu Lasten der Mitgliedstaaten, die nur in Grenzen verfassungsgemäß ist (BVerfG NZA 10, 995; NJW 09, 2267 – Lissabon). Das AGG muss richtlinienkonform ausgelegt werden (vgl BVerfG NZA 10, 995).