I. Begriff.
Rn 7
Der Begriff der Rechtsfähigkeit ist im Gesetz nicht festgelegt, sondern er wird vorausgesetzt. Nach heute weithin anerkannter Auffassung wird Rechtsfähigkeit verstanden als die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein (abw früher Fabricius Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, S 31 ff). Dieser allg und umfassende Begriff der Rechtsfähigkeit steht im Einklang mit Art 1 GG und der in den Grundrechten zum Ausdruck gekommenen Werteordnung. Er drückt insb auch die Unverzichtbarkeit dieser Eigenschaft für jeden Menschen und die gleichmäßige Rechtsfähigkeit aller Menschen aus. Der Gesetzgeber hat in § 14 II den Begriff der Rechtsfähigkeit nunmehr in gleicher Weise umschrieben.
II. Teilrechtsfähigkeit.
Rn 8
Der Begriff der Teilrechtsfähigkeit ist missverständlich und sollte vermieden werden. Jedem Menschen (und jeder juristischen Person) steht die volle und gleiche Rechtsfähigkeit zu (Lehmann AcP 207, 233 ff). Soweit andere Gebilde wie die Gemeinschaften (insb die Gesamthandsgemeinschaften) in bestimmten Einzelbereichen Rechtsträger und damit Träger einzelner Rechte und Pflichten sein können, führt dies nicht zur vollen Rechtsfähigkeit, wie der Gesetzgeber diese den Personen zugedacht hat.. Abzutrennen von der allg Rechtsfähigkeit der Personen ist auch die Frage, ob im Einzelfall besondere Voraussetzungen vorliegen müssen, um eine bestimmte Rechtsposition erwerben oder ausüben zu können (Alter, Geschlecht, Verwandtschaft). Solche und andere besonderen Merkmale schränken die Rechtsfähigkeit als solche nicht ein. Der Gesetzgeber kann Gebilden außerhalb des Systems der Personen und Gemeinschaften eine Teilrechtsfähigkeit zuweisen (so die Einstufung des Betriebsrats und des Personalrats, vgl BGH ZIP 12, 2362). Zu einer funktionalen Betrachtung der (Teil-)Rechtsfähigkeit im Falle autonomer Roboter vgl Schirmer JZ 16, 660.
III. Rechtsentwicklung und neues System.
1. Die BGH-Entscheidung ›Weißes Ross‹.
Rn 9
Der Gesetzgeber hatte im Jahr 1900 die GbR als eine nicht rechtsfähige und nicht parteifähige Gesamthandsgemeinschaft konstruiert. Daran hat sich bzgl der Gesetzeslage über 100 Jahre hinweg nichts verändert. Die Rspr hat im Jahre 2001 jedoch die gesellschaftsrechtlichen Zusammenhänge grundlegend verändert. Denn der II. Zivilsenat des BGH hat mit Urt v 29.1.01 die GbR für rechts- und parteifähig erklärt (BGHZ 146, 341 = NJW 01, 1056 = EWiR 01, 341 mAnm Prütting – Weißes Ross). Dadurch wurde die Einordnung der GbR von einer nicht rechtsfähigen Gesamthand, bei der die Gesellschafter die Rechtsträger sind, zu einem eigenständigen rechtsfähigen Rechtsträger, freilich ohne Rechtspersönlichkeit. Diese materiell-rechtliche Umwandlung traf in den §§ 50, 735, 736 ZPO auf eine damit prozessual unvereinbare Rechtslage. Daher war die Entscheidung ›Weißes Ross‹ eine Rechtsfortbildung contra legem. Hinzu kam, dass die Entscheidung ›Weißes Ross‹ ein wirkungsloses und nicht existentes Urteil war, weil es sich gegen eine nicht existente Partei gerichtet hatte (zu den Einzelheiten Prütting FS Grunewald 19, S 881, 882).
2. Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG).
Rn 9a
Im Jahre 2021 hat sich der Gesetzgeber entschlossen, die normativen Konsequenzen aus der Entscheidung ›Weißes Ross‹ zu ziehen. Er hat mit dem MoPeG v 10.8.21 (BGBl I, 3436) das Personengesellschaftsrecht vollkommen neu geordnet. Der Gesetzgeber hat die GbR ausdrücklich als rechtsfähige Gesellschaft organisiert (§ 705 II). Er hat alle Vermögensbestandteile, die für oder durch die Gesellschaft erworben wurden, als Vermögen der Gesellschaft zugeordnet (§ 713). Eine gesamthänderische Vermögenszuordnung zu den Gesellschaftern entfällt damit. Alle Gesellschafter sind zur Geschäftsführung (§ 715 I) und zur Vertretung (§ 720 I) befugt. Die Gesellschafter haften persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 721). Die Gesellschaft kann klagen und verklagt werden. Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ist ein Titel gegen die Gesellschaft, nicht gegen die Gesellschafter erforderlich.
Das MoPeG ist am 1.1.24 in Kraft getreten.
3. Die Dreiteilung der rechtsfähigen Rechtsträger.
Rn 9b
Die neue GbR ist keine Gesamthand mehr (§ 713). Sie ist aber auch keine juristische Person. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 14 I. Die Kennzeichen juristischer Personen (körperschaftliche Struktur, Drittorganschaft, keine Haftung der Gesellschafter) liegen bei der GbR nicht vor. Juristische Personen entstehen durch Registereintragung oder staatliche Konzession. Beides liegt bei der GbR nicht vor. Falls sie in das neu geschaffene Register eingetragen wird, so ist dies für die Gesellschaft nicht konstitutiv. Damit ist die GbR neben der natürlichen und der juristischen Person eine dritte Kategorie eines rechtsfähigen Rechtsträgers, jedoch ohne Rechtspersönlichkeit (so ausdrücklich § 11 II Nr 1 InsO); dazu näher Bachmann FS Henssler 23, S 769.
IV. Der Mensch als Rechtssubjekt.
Rn 10
Der Begriff der natürlichen Person ist identisch mit dem Begriff des Menschen. Dabei handelt es sich um eine biologische Einteilung. Mensch iSv § 1 ist, wer von Menschen abstammt. Aussehen, Gesundheit und Gestalt des Menschen sind ebenso ohne rechtliche Bedeutung wie Staatsangehörigkeit, Religion, Beruf, Weltansch...