Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Gesetzestext
Nutzungen sind die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt.
A. Begriff und Bedeutung.
Rn 1
Inhalt der Norm ist allein die Legaldefinition des Begriffs der Nutzungen, der den Oberbegriff für die Sach- und Rechtsfrüchte (s. § 99) sowie die Gebrauchsvorteile darstellt. Von Bedeutung ist der Begriff für die auf Herausgabe von Nutzungen gerichteten Vorschriften (§§ 346 f, 818 I, 987 ff, 2020 ff). Weiterhin verwendet das Gesetz den Terminus der Nutzungen zB in den §§ 256, 292, 302, 379, 446, 503, 584b, 745, 820, 1030, 1039, 1213 f, 1283, 1698, 2111, 2133, 2184, 2379 f BGB sowie in §§ 13, 16, 33 WEG, §§ 4, 9, 863 ZPO.
B. Gebrauchsvorteil.
Rn 2
Der Gebrauch einer Sache oder eines Rechtes besteht in der Ausübung der damit verbundenen Rechte. Im Gegensatz zum Verbrauch geht durch den Gebrauch die Sache oder das Recht nicht unter. Allerdings zehrt der Gebrauch den Wert der Sache auf, wenn diese nur eine begrenzte Gebrauchsdauer hat (Möbel, KfZ, Maschinen). Gebrauchsvorteile einer Sache werden durch deren Besitz vermittelt (Hambg MDR 53, 613). Solche sind zB: der Gebrauch eines Hauses zu Wohnzwecken (Ddorf ZMR 09, 443; NZM 11, 550) oder als Kreditunterlage (Gaier ZflR 02, 612), der Gebrauch eines Pkw zur Fortbewegung und der eines befestigten Platzes zum Parken (BGHZ 39, 186, 187) oder die automatisierte Erhebung von Daten über ein Grundstück mit Maschinen oder Messanlagen (Zech CR 15, 137; Assion CR 16, 84; Härting CR 16, 646; aA HP/Fritzsche Rz 6). Auch nicht unmittelbar vermögensrechtliche Vorteile fallen hierunter wie der Gebrauch eines Musikinstruments, die Ausübung des Stimmrechts oder Wohnungseigentümerrechts (KG OLGZ 79, 290). Bei Geld besteht der Gebrauchsvorteil in den daraus erlangten oder durch seine Verwendung ersparten (Schuld-)Zinsen (BGHZ 138, 160, 166; BGH NZI 12, 665). Zu den Gebrauchsvorteilen zählt auch der aus dem Gewerbebetrieb gezogene Gewinn (BGHZ 65, 365, 368; NJW 78, 1578), nicht zu berücksichtigen sind dagegen Vorteile, die auf werterhöhenden Investitionen des Schuldners beruhen (BGHZ 109, 179, 191; NJW 92, 892). Die Wertsteigerung ist vom Schuldner zu beweisen (BGH NJW 95, 2628). Kein Gebrauchsvorteil ist das, was durch Verwertung oder Belastung der Sache erzielt wird, zB Kursgewinne aus Wertpapierverkäufen und das Bezugsrecht für neue Aktien (Bremen DB 70, 1436 [OLG Bremen 20.04.1970 - 1 U 2/70]). Bloße mittelbare Folgen sind hingegen nicht als Gebrauchsvorteil im Sinne des § 100 zu qualifizieren, etwa eine mögliche Steuerersparnis als Folge eines Immobilienerwerbs (StuttG ZIP 15, 2211; WM 16, 127).
Rn 3
Die beim Wertersatz für herauszugebende Nutzungen notwendige Bewertung der Gebrauchsvorteile richtet sich nach dem objektiven Wert, den der Gebrauchsvorteil allg für Nutzende der betreffenden Art hat (BGH NJW 95, 2627 [BGH 14.07.1995 - V ZR 45/94]). Hat der Besitzer die Sache vermietet, beschränkt sich der Anspruch aus § 988 auf die tatsächlich gezogene Miete (BGH NJW 02, 60 [BGH 21.09.2001 - V ZR 228/00]). Bei der Eigennutzung von Objekten ist zu unterscheiden. Der Wert von Gebrauchsvorteilen bei beweglichen Sachen wird nach der ›Werteverzehrstheorie‹ nach dem Verhältnis der tatsächlichen zur voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer der Sache berechnet (BGHZ 115, 47, 54; NJW 95, 2159, 2161; NJW 96, 250, 252; NJW 06, 1582, 1583; krit Gursky JR 98, 7). Beim Rücktritt vom Autokauf ermittelt sich der Wert der gezogenen Nutzungen, dh der gefahrenen Kilometer in der Weise, dass der vereinbarte Kaufpreis durch die voraussichtliche Restlaufleistung des Fahrzeugs geteilt wird (BGH NJW 95, 2159. Zu diesem System der sog linearen Teilwertabschreibung Wackerbarth NJW 18, 1713). Bei der Rückabwicklung von Grundstückskaufverträgen ist der iRd Vorteilsausgleichung anzurechnende Nutzungsvorteil zeitanteilig linear aus dem Kaufpreis zu ermitteln, wenn der Käufer den Schadensersatz auf den Leistungsaustausch und die Nebenkosten des Vertrags beschränkt (BGH NJW 06, 53). Verlangt der Käufer auch Ersatz der Aufwendungen zur Finanzierung des Kaufpreises, hat er sich den nach dem üblichen Mietzins berechneten vollen Wert der Eigennutzung anrechnen zu lassen (BGH NJW 06, 2182, 2184f [BGH 01.03.2006 - XII ZR 157/03]).