Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
I. Grundsatz.
Rn 1
Die Norm ordnet im Interesse des Schutzes Geschäftsunfähiger (s § 104 Rn 1) an, dass alle Willenserklärungen eines Geschäftsunfähigen ohne Rücksicht auf ihren Inhalt nichtig sind. Dies gilt auch für Erklärungen, die lediglich rechtlich vorteilhaft für den Geschäftsunfähigen oder objektiv vernünftig sind. Die Nichtigkeit wirkt nicht nur ggü dem Vertragspartner, sondern für und gegen jedermann. Für die Abgabe von Willenserklärungen ggü Geschäftsunfähigen gilt § 131. Auf sonstige Handlungen, bei denen die Rechtsfolge maßgeblich an den Willen des Handelnden anknüpft, ist § 105 entspr anwendbar (BGHZ 47, 352, 357). Daher sind auch geschäftsähnliche Handlungen wie die Mahnung (§ 286), die Pfandrückgabe (§ 1253) oder die Dereliktion (§ 959) nichtig. Dagegen tritt bei Realakten, wie Verbindung, Vermischung und Verarbeitung (§ 946 ff) die Rechtsfolge auch dann ein, wenn der Handelnde geschäftsunfähig ist. Nicht anwendbar ist § 105 auch auf den Besitzerwerb (BGHZ 27, 360, 362) und die Besitzaufgabe, allerdings nicht iRd § 935 I. Hier liegt bei freiwilliger Besitzaufgabe durch den Geschäftsunfähigen Abhandenkommen vor (Canaris NJW 64, 1988). Weiterhin gilt § 105 I nicht bei der Begründung von Eigenbesitz (§ 872), Fruchtziehung (§ 954) und bei den gesetzlichen Pfandrechten (RGZ 132, 129).
II. Ausnahmen.
Rn 2
Eingeschränkt wird die generelle Nichtigkeit durch § 105a. Ausnahmen gelten weiter in gerichtlichen Verfahren. Grds ist der Geschäftsunfähige zwar zugleich auch prozessunfähig (§ 52 ZPO). Die (möglicherweise) geschäftsunfähige Partei ist aber im Zulassungsstreit über ihre Prozessfähigkeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Frage als prozessfähig zu behandeln (BGHZ 35, 1, 6). Auch kann der Geschäftsunfähige wirksam Verfassungsbeschwerde einlegen (BVerfGE 10, 302, 310).
III. Besonderheiten.
Rn 3
Die von einem Geschäftsunfähigen erteilte Vollmacht ist nichtig, der Vertreter handelt nach § 177 ff als Vertreter ohne Vertretungsmacht (BayObLG NJW-RR 88, 454). Gibt der Geschäftsunfähige die Willenserklärung als Vertreter oder Organ einer juristischen Person oder Personenhandelsgesellschaft ab, so ändert dies nichts an deren Nichtigkeit (BGHZ 115, 78, 79; ZIP 04, 661). Die Nichtigkeit der Willenserklärung eines geschäftsunfähigen Gesamtvertreters nach § 105 I führt zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, da Gesamtvertreter nur gemeinsam für den Vertretenen handeln können. § 139 ist unanwendbar (BGHZ 53, 210, 214 f; aA Hamm NJW 67, 1041). Etwas anderes gilt im Falle übereinstimmenden Handelns zweier alleinvertretungsberechtigter Vertreter (RGZ 145, 155, 160). Wer geschäftsunfähig ist, kann grds keine Ehe eingehen (§ 1304).