Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
I. Anwendungsbereich.
Rn 2
Die Vorschrift erfasst nur Geschäfte eines volljährigen Geschäftsunfähigen. Nach Sinn und Zweck gilt sie auch, wenn zwei volljährige Geschäftsunfähige miteinander kontrahieren (Casper NJW 02, 3426). Auf Minderjährige, die nach § 104 Nr l geschäftsunfähig sind, findet § 105a keine Anwendung. Wird das Geschäft im Zustand vorübergehender Störung der Geistestätigkeit nach § 105 II abgeschlossen, so gilt § 105a nicht, da der Betreffende nicht generell geschäftsunfähig ist (aA Casper NJW 02, 3426). Die dadurch entstehende Schlechterstellung von Personen mit nicht dauerhafter Störung bei Geschäften des täglichen Lebens überzeugt nicht (Erman/Müller Rz 3 für analoge Anwendung; Franzen JR 04, 226 für die Aufnahme des § 105 II in eine Neufassung des § 105a).
II. Voraussetzungen (S 1).
1. Geschäfte des täglichen Lebens.
Rn 3
Die Vorschrift gilt nur für ›Geschäfte des täglichen Lebens‹. Der Begriff ist im Gesetz nicht definiert. Für seine Auslegung kann auf die zu dem Begriff der ›Angelegenheit des täglichen Lebens‹ in § 1825 III entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Maßgebend ist, ob es sich nach der Verkehrsauffassung um ein alltägliches Geschäft handelt. Dazu gehören nach der Gesetzesbegründung (BTDrs 14/9266 43) va der Erwerb von Gegenständen des täglichen Bedarfs, wie geringen Mengen zum alsbaldigen Gebrauch bestimmter Nahrungs- oder Genussmittel, Getränke, Körperpflegeprodukte, Presseerzeugnisse und Textilien. Der Kauf von Mengen, die das übliche Maß übersteigen, fällt nicht unter § 105a. Weiterhin zählen zu den Geschäften des täglichen Lebens die Inanspruchnahme von einfachen Dienstleistungen wie Friseur, Post, Telefon, öffentlicher Verkehrsmittel und der Besuch von Sport- und Unterhaltungsveranstaltungen wie Kino, Theater, Konzert. In Betracht kommen auch die Annahme und Hingabe von kleineren Anstandsschenkungen und die Leihe oder Aufbewahrung geringwertiger Gegenstände (zB Bücher aus einer Leihbücherei). Auch der Beitritt zu einem Verein kann unter § 105a fallen. Bei Dauerverpflichtungen wie der Zahlung eines nicht ganz geringen Mitgliedsbeitrags, bei Abonnements von Presseerzeugnissen, Theater oder Konzert sowie bei Telefonanschlüssen und Handyverträgen muss man dagegen die Anwendbarkeit des § 105a verneinen, zumal sich die Wirkung immer nur auf den bereits abgewickelten Teil des Geschäfts beziehen kann, für den Leistung und Gegenleistung bereits erbracht sind (s Rn 5). Auch Verträge, die in einer Haustürsituation (§ 312) oder im Fernabsatz (§ 312b) geschlossen werden, sollen wegen der den Behinderten überfordernden besonderen Vertriebsmodalitäten idR nicht unter § 105a fallen, ebenso wenig der Abschluss von Mietverträgen, auch nicht iRd betreuten Wohnens (Grüneberg/Ellenberger Rz 4).
2. Mit geringwertigen Mitteln.
Rn 4
Auch eine Definition des geringwertigen Mittels enthält das Gesetz nicht. Der Geschäftsunfähige soll keine Leistungen erbringen dürfen, deren wirtschaftliches Ausmaß er nicht hinreichend beurteilen kann. Dabei ist nach der Gesetzesbegründung anders als bei § 1825 III nicht auf die individuellen Vermögensverhältnisse des Geschäftsunfähigen, sondern auf die allg Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Preis- und Einkommensniveaus abzustellen (BTDrs 14/9266 43; ebenso Heim JuS 03, 143). Maßgebend ist nicht der Preis der einzelnen Kaufsache, sondern der vom Geschäftsunfähigen zu erbringende Gesamtkaufpreis (HP/Wendtland Rz 4).
3. Bewirkung von Leistung und Gegenleistung.
Rn 5
Das von dem Geschäftsunfähigen getätigte Geschäft wird erst dann (ex nunc) wirksam, wenn es durch ordnungsgemäße, vollständige Erfüllung der Leistung und ggf der vereinbarten Gegenleistung abgeschlossen ist. Folglich fallen Kreditgeschäfte nicht unter § 105a, sofern sie nicht abgewickelt sind. Sie werden wie der Abschluss von Dauerschuldverhältnissen nur ganz ausnahmsweise wirksam sein. ZT werden pauschal diejenigen Geschäfte ausgenommen, bei denen zu Lasten des Geschäftsunfähigen Leistung und Gegenleistung nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen (Erman/Müller Rz 6; Grüneberg/Ellenberger Rz 3). Dies darf jedoch nicht so weit gehen, dass Geschäfte des täglichen Lebens, die von einem Geschäftsunfähigen getätigt worden sind, generell darauf überprüft werden, ob es sich um ein für den Geschäftsfähigen ›günstiges‹ Geschäft handelt. Die durch § 138 gebildete Grenze ist erst dann überschritten, wenn die Unerfahrenheit des Behinderten ausgenutzt wird oder ein Fall des § 105 2 vorliegt.
III. Ausschluss (S 2).
Rn 6
Die mit § 1825 I 1 korrespondierende Ausschlussregelung des § 105a 2 nimmt solche Geschäfte von der Wirksamkeitsfiktion aus, die eine erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen des Geschäftsunfähigen bedeuten. Maßstab ist hierfür die individuelle Situation des Geschäftsunfähigen. Seine Person ist gefährdet, wenn sein Leben, Gesundheit oder Freiheit betroffen ist, zB bei Veräußerung von Alkohol an einen Alkoholkranken. Das Vermögen ist bei verschwenderischen oder in hohem Maße wirtschaftlich nachteiligen Geschäften betroffen. Dieser Fall dürfte allerdings nur selten eintreten, da die Vermögensgefährdung bereits dadurch limitiert wird, d...