Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Gesetzestext
(1) Schließt der Minderjährige einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab.
(2) 1Fordert der andere Teil den Vertreter zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Minderjährigen gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. 2Die Genehmigung kann nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert.
(3) Ist der Minderjährige unbeschränkt geschäftsfähig geworden, so tritt seine Genehmigung an die Stelle der Genehmigung des Vertreters.
A. Normzweck und Anwendungsbereich.
Rn 1
Die Vorschrift trifft eine Regelung für den Fall, dass der Minderjährige unter Verstoß gegen § 107 ohne vorherige oder gleichzeitige Zustimmung (Einwilligung, s. § 183 I) die Willenserklärung abgibt. Für den Fall, dass es sich bei dem vom Minderjährigen abgeschlossenen Rechtsgeschäft um einen Vertrag handelt, hängt seine Wirksamkeit von der nachträglichen Zustimmung (Genehmigung, s. § 184 I) ab. Aus ihm lassen sich zunächst keine Rechte und Pflichten herleiten. Der Vertrag kann aber noch wirksam werden, wenn die Genehmigung erfolgt. In diesem Stadium wird der Vertrag daher als schwebend unwirksam bezeichnet. Die Parteien sind zwar grds an den Vertrag gebunden, dem Vertragspartner steht jedoch bis zur Genehmigung ein Widerrufsrecht nach § 109 zu. Die Norm gilt nur für nicht lediglich rechtlich vorteilhafte Verträge (s § 107 Rn 15), welche der Minderjährige ohne die erforderliche Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters geschlossen hat. Bei einseitigen Rechtsgeschäften des Minderjährigen findet § 111 Anwendung. Fast gleichlautende Regelungen enthalten § 177 (Genehmigung des Vertretenen), § 1366 (Genehmigung des anderen Ehegatten) und § 1800 (Genehmigung des Familiengerichts).
B. Beendigung des Schwebezustandes.
I. Genehmigung.
Rn 2
Genehmigt der gesetzliche Vertreter den Vertrag, wird dieser von Anfang an wirksam (§ 184 I), zwischenzeitlich erfolgte Verfügungen bleiben bestehen (§ 184 II). Die Genehmigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die formlos möglich ist (§ 182 II) und auch konkludent erteilt werden kann. Dies setzt aber voraus, dass sich der gesetzliche Vertreter der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages bewusst ist oder sie zumindest für möglich hält (BGH NJW 88, 1200 [BGH 16.11.1987 - II ZR 92/87]; Ddorf NJW-RR 95, 757 [OLG Düsseldorf 25.11.1994 - 22 U 23/94]). Die Genehmigung kann grds ggü dem Minderjährigen oder ggü dem Vertragspartner erteilt werden, im Falle der Aufforderung an den gesetzlichen Vertreter nach § 108 II nur letzterem ggü.
II. Verweigerung der Genehmigung.
Rn 3
Verweigert der gesetzliche Vertreter die Genehmigung, wird der Vertrag von Anfang an unwirksam. Die Verweigerung ist aufgrund ihres rechtsgestaltenden Charakters unwiderruflich (BGHZ 13, 179, 187).
III. Aufforderung (Abs 2).
Rn 4
Einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung gegen den gesetzlichen Vertreter haben weder der Minderjährige noch der Vertragspartner. Dieser kann den Schwebezustand dadurch beenden, dass er den gesetzlichen Vertreter zur Erklärung über die Genehmigung auffordert. Die Aufforderung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, formlos mögliche, geschäftsähnliche Handlung, die nur an den gesetzlichen Vertreter gerichtet werden kann (Ausnahme: § 108 III). Sie ist keine Willenserklärung, ihre Rechtsfolgen treten unabhängig vom Willen des Erklärenden kraft Gesetzes ein. Zulässig ist eine Aufforderung nach § 108 II nur, wenn eine Genehmigung erforderlich ist, nicht dagegen, wenn der Vertragspartner nur im Zweifel darüber ist, ob der Minderjährige mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nach § 107 gehandelt hat. Eine entspr Anwendung des § 108 II auf die Einwilligung kommt nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Norm nicht in Betracht (hM s MüKo/Spickhoff Rz 24 mwN; aA Grüneberg/Ellenberger Rz 7).
Rn 5
Rechtsfolge einer wirksamen Aufforderung ist, dass die Genehmigung abw von § 182 nur noch dem Vertragspartner ggü erklärt werden kann. Eine bereits dem Minderjährigen ggü erklärte Genehmigung oder Verweigerung wird rückwirkend unwirksam. Damit wird der bereits beendete Schwebezustand wiederhergestellt. Während der (erneuten) Schwebezeit steht dem Vertragspartner das Widerrufsrecht des § 109 zu. Allerdings muss er mit dem Widerruf im Anschluss an die Aufforderung zur Genehmigung eine angemessene Zeit warten, um diese nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen zu lassen. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Zugang der Aufforderung erklärt werden. Für die Berechnung der Frist gelten die §§ 187 I, 188 II. Eine Verlängerung der Frist ist durch einseitige Erklärung des Auffordernden möglich, eine Verkürzung jedoch nur im Wege einer Vereinbarung mit dem gesetzlichen Vertreter (RG HRR 37, Nr 786). Nach Ablauf der Frist gilt die Genehmigung endgültig als verweigert. Diese Wirkung kann nicht durch Anfechtung beseitigt werden, da es sich um e...