Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Gesetzestext
(1) 1Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der andere Teil zum Widerruf berechtigt. 2Der Widerruf kann auch dem Minderjährigen gegenüber erklärt werden.
(2) Hat der andere Teil die Minderjährigkeit gekannt, so kann er nur widerrufen, wenn der Minderjährige der Wahrheit zuwider die Einwilligung des Vertreters behauptet hat; er kann auch in diesem Falle nicht widerrufen, wenn ihm das Fehlen der Einwilligung bei dem Abschluss des Vertrags bekannt war.
A. Normzweck und Bedeutung.
Rn 1
Um den Vertragspartner zu schützen, wenn er die Minderjährigkeit oder die fehlende Einwilligung nicht gekannt hat, erlaubt ihm § 109, sich während der Schwebezeit durch Widerruf von dem Vertrag zu lösen. Der durch einseitige, empfangsbedürftige, nicht formgebundene Willenserklärung ggü dem gesetzlichen Vertreter (§ 131 II 2) oder ggü dem Minderjährigen (I 2) zu erklärende Widerruf führt zur endgültigen Unwirksamkeit des Vertrages. Zur Rückabwicklung bereits ausgetauschter Leistungen und zum Schadensersatz s § 108 Rn 7. Ein entspr Widerrufsrecht enthalten die §§ 178, 1366 II und 1800.
B. Regelungsgehalt.
I. Voraussetzungen des Widerrufs.
Rn 2
Das Widerrufsrecht besteht nur, solange eine Genehmigung des Vertrages durch den gesetzlichen Vertreter noch aussteht. Es endet mit dieser Genehmigung, auch wenn diese ggü dem Minderjährigen erklärt wird. Eine fehlende familiengerichtliche Genehmigung gibt kein Widerrufsrecht. Der durch die Erteilung der Genehmigung ggü dem Minderjährigen beendete Schwebezustand wird wiederhergestellt und das Widerrufsrecht lebt wieder auf, wenn der Vertragspartner den gesetzlichen Vertreter nach § 108 II 1 zur Erklärung über die Genehmigung auffordert. Er kann dann widerrufen, muss aber nach der Aufforderung eine angemessene Zeit zur Genehmigung verstreichen lassen, da die Herbeiführung des Schwebezustands allein zum Zwecke des Widerrufs als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist (MüKo/Spickhoff Rz 10).
II. Ausschluss des Widerrufs (Abs 2).
Rn 3
Ausgeschlossen ist das Widerrufsrecht, wenn der Vertragspartner die Minderjährigkeit positiv kannte. Fahrlässige Unkenntnis beseitigt das Widerrufsrecht nicht, denn den Vertragspartner treffen keine Nachforschungspflichten. Trotz Kenntnis von der Minderjährigkeit besteht ein Widerrufsrecht, wenn der Minderjährige objektiv wahrheitswidrig dem Vertragspartner ggü das Vorliegen einer Einwilligung behauptet hat (II). Der Minderjährige braucht nicht bewusst getäuscht zu haben, sondern kann auch irrtümlich von einer Einwilligung ausgegangen sein. Auch in diesem Fall beseitigt positive Kenntnis vom Fehlen der Einwilligung bei Vertragsschluss das Widerrufsrecht, nicht jedoch schon Zweifel an ihrem Vorliegen.
C. Beweislast.
Rn 4
Wer sich auf die Unwirksamkeit des Vertrags beruft, hat den Zugang des Widerrufs (vor einer erfolgten Genehmigung des Vertrages) zu beweisen (BGH NJW 89, 1728 [BGH 25.01.1989 - IVb ZR 44/88]). Wer die Unzulässigkeit des Widerrufs behauptet, muss dagegen die Kenntnis des anderen Teils von der Minderjährigkeit oder der fehlenden Einwilligung beweisen. Dagegen hat der Vertragspartner wiederum zu beweisen, dass der Minderjährige die Einwilligung zu Unrecht behauptet hat.