Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
I. Bewirkung der vertragsgemäßen Leistung.
Rn 2
§ 110 gilt für alle Verträge, die ein Minderjähriger ohne die ausdrückliche Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter schließt und die für ihn rechtlich nachteilig sind. Um die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes herbeizuführen, muss der Minderjährige die vertragsgemäße Leitung vollständig bewirkt haben (dazu Lettl WM 13, 1249). Auf diese Weise wird er davor geschützt, dass aus gegen ihn bestehenden Forderungen geklagt und in sein Vermögen vollstreckt werden kann (Modrzyk JA 12, 407, 408). Unerheblich ist, ob er die vertragsgemäße Leistung bar oder durch Banküberweisung erbringt (MüKo/Spickhoff Rz 13). Bis zur Erfüllung ist der Vertrag gem § 108 schwebend unwirksam. Für die vollständige Leistungsbewirkung genügt neben der Erfüllung (§ 362) auch Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364), Hinterlegung (§ 378) oder Aufrechnung (§ 389). Eine Teilleistung reicht grds nicht aus. Sie führt nur dann zur Teilwirksamkeit des Vertrages, wenn Leistung und Gegenleistung teilbar sind (RGZ 74, 235, 236; AG Bensberg MDR 63, 840; MüKo/Spickhoff Rz 15). Das richtet sich nach der im Einzelfall vorliegenden Gestaltung des Vertrages. Nicht teilbar ist der Lebensversicherungsvertrag auf den Todes- und Erlebensfall (Schilken FamRZ 78, 642). Bei Abzahlungs- und Kreditgeschäften führt die Zahlung einer Rate nicht zur Teilwirksamkeit (HP/Wendtland Rz 5; Staudinger/Steinrötter JuS 12, 97, 99). Leistet ein Minderjähriger mit den ihm überlassenen Mitteln Mietzinszahlungen, ist der Mietvertrag für diesen Zeitraum wirksam (Erman/Müller Rz 2). Sind Minderjährige außerhalb des elterlichen Wohnsitzes tätig, kann eine konkludente Einwilligung für Bargeldgeschäfte angenommen werden (BGH WM 76, 1350).
II. Überlassene Mittel.
Rn 3
Als Mittel, die dem Minderjährigen zu einem bestimmten Zweck oder zur freien Verfügung überlassen worden sind, kommen Geld und andere Vermögensgegenstände in Betracht (Hagemeister JuS 92, 840; Vortmann WM 94, 967). Die Überlassung zur freien Verfügung umfasst im Zweifel nur solche Rechtsgeschäfte, die sich noch iRd Vernünftigen halten (RGZ 74, 235; Derleder/Thielbar NJW 06, 3233, 3234). Hierzu gehört die Verwendung eines Prepaid-Handys, dessen Guthaben der Minderjährige mit ihm überlassenen Mitteln aufgeladen hat. Die Überlassung dient jedoch vorrangig der Kommunikation, Ein Klingeltonerwerb ist hiervon regelmäßig nicht gedeckt; erst recht nicht bei Vertrags-Handys (AG Ddorf MMR 07, 404 [AG Düsseldorf 02.08.2006 - 52 C 17756/05]; Mankowski/Schreier VuR 07, 5 dazu auch Goerth VuR 04, 277). Auch bei den von einem Dritten überlassenen Mitteln kommt es auf die Zweckbestimmung des gesetzlichen Vertreters an (Soergel/Hefermehl Rz 4). Da die Überlassung der Mittel an keine Form geknüpft ist, kann sie auch konkludent erfolgen, zB durch Belassen der Ausbildungsvergütung (BGH NJW 77, 622, 623 [BGH 12.10.1976 - VI ZR 172/75]; Celle NJW 70, 1850 [OLG Celle 29.01.1970 - 5 U 144/69]). Ob sich die Einwilligung auch auf Surrogate erstreckt, die der Minderjährige mit den ihm überlassenen Mitteln erworben hat, bedarf der Auslegung im Einzelfall. Wenn das Surrogat den Wert der überlassenen Mittel deutlich übersteigt (zB Spielgewinn), erstreckt sich die in der Überlassung der Mittel liegende Einwilligung nicht auf das Surrogat (RGZ 74, 235; Soergel/Hefermehl Rz 5).