Gesetzestext
(1) 1Wird die Miete oder Pacht eingezogen, bevor sie zu Gunsten des Hypothekengläubigers in Beschlag genommen worden ist, oder wird vor der Beschlagnahme in anderer Weise über sie verfügt, so ist die Verfügung dem Hypothekengläubiger gegenüber wirksam. 2Besteht die Verfügung in der Übertragung der Forderung auf einen Dritten, so erlischt die Haftung der Forderung; erlangt ein Dritter ein Recht an der Forderung, so geht es der Hypothek im Range vor.
(2) Die Verfügung ist dem Hypothekengläubiger gegenüber unwirksam, soweit sie sich auf die Miete oder Pacht für eine spätere Zeit als den zur Zeit der Beschlagnahme laufenden Kalendermonat bezieht; erfolgt die Beschlagnahme nach dem 15. Tag des Monats, so ist die Verfügung jedoch insoweit wirksam, als sie sich auf die Miete oder Pacht für den folgenden Kalendermonat bezieht.
(3) Der Übertragung der Forderung auf einen Dritten steht es gleich, wenn das Grundstück ohne die Forderung veräußert wird.
A. Verhältnis zu § 1123.
Rn 1
§ 1124 I bestimmt eine Ausn von § 1123. Obwohl sich die Hypothek auch auf den Miet- oder Pachtzins erstreckt, kann der Eigentümer darüber unter den in § 1124 genannten Voraussetzungen wirksam verfügen; der Hypothekar kann nicht etwa auf ein Surrogat, insb nicht auf den zur Tilgung bezahlten Geldbetrag zugreifen (s.a. § 1123 Rn 4).
Rn 2
Die Verfügung muss vor der Beschlagnahme erfolgt sein; der Zeitpunkt der Eintragung der Hypothek ist ohne Bedeutung. Wird nach Beschlagnahme verfügt, insb vom Mieter an den Eigentümer gezahlt, ist diese Verfügung wirkungslos (§§ 135, 136); der Mieter muss nochmals an den Hypothekar zahlen, es sei denn, dass die Beschlagnahme ihm ggü noch unwirksam ist (§ 22 II ZVG; § 1123 Rn 3); letzterenfalls bestehen nur Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüche des Hypothekengläubigers gegen den Verfügenden.
Rn 3
Auch eine Verfügung vor Beschlagnahme ist allerdings unwirksam, wenn sie sich auf die Zeit nach der Beschlagnahme bezieht, wobei § 1124 II einen Interessenausgleich zwischen dem Schutz des Gläubigers und dem Schutz des Mieters bezweckt. IdR behält der Eigentümer das Grundstück und verfügt über die Mietzinsforderung; § 1124 III stellt klar, dass im umgekehrten Fall (Behalten der Mietzinsforderung und Verfügung über das Grundstück) angesichts der gleichen Interessenlage nichts anderes gelten kann. § 1124 III gilt entsprechend für Versicherungsforderungen nach §§ 1128, 1129 (BGH MDR 19, 1406 [BGH 12.04.2019 - V ZR 132/18]).
B. Wirksame Verfügungen.
Rn 4
Einziehung iSd § 1124 I ist nicht nur die Erfüllung des Anspruchs durch Zahlung des Mietzinses (auch bei Zahlung an den Insolvenzverwalter), sondern auch jede Handlung des Mieters, die zum Erlöschen der Forderung führt, insb die Hinterlegung (str für den Fall der Hinterlegung ohne Verzicht auf das Rücknahmerecht). Anderweitige Verfügungen sind Übertragung und Belastung der Forderung durch den Vermieter, aber auch die Stundung (BGH NJW 99, 577 [BGH 07.12.1998 - II ZR 382/96]; NJW-RR 00, 925 [BGH 31.01.2000 - II ZR 309/98]), nicht aber die Aufgabe von Sicherungsrechten (RGZ 151, 380), ebenso wenig die Beendigung des Mietverhältnisses (durch Aufhebungsvertrag ebenso wie durch Kündigung) und auch nicht die Einräumung eines Nießbrauchs, weil dieser nichts an der Haftung ändert (§ 1123 Rn 2). Im letzteren Fall ist aber ein Titel gegen den Nießbraucher auf Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich (LG Krefeld Rpfleger 88, 325; für den der Hypothek nachrangigen Nießbrauch str). Auch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Vermieter sind Verfügungen (RGZ 103, 140).
Rn 5
Die Folgen einer wirksamen Verfügung ergeben sich aus § 1124 I 2: Bei Übertragung auf einen Dritten endet die Haftung, beim Erwerb eines Rechts durch den Dritten (auch durch Pfändung, Posen OLGR 8, 208) ist dieser zuerst zu befriedigen. Im Fall der Zwangsverwaltung setzt sich die Hypothek nach §§ 155, 156 ZVG am eingezogenen Erlös fort (BGH NJW 13, 3520 [BGH 10.10.2013 - IX ZB 197/11]).
C. Unwirksame Verfügungen.
Rn 6
Verfügungen für die Zeit nach der Beschlagnahme erklärt § 1124 II zum Schutz des Hypothekengläubigers grds für unwirksam; ihm soll die laufende Miete als Haftungsobjekt bleiben. Auch eine Mietminderung für die Dauer eines Arbeitsverhältnisses mit dem Vermieter kann eine solche Verfügung sein (Celle 11.1.11 – 2 U 244/10). Der Mieter wird (auch bei Zahlung für den Folgemonat in der zweiten Monatshälfte) aber davor geschützt, für einen Monat doppelt zahlen zu müssen; seine Zahlung ist wirksam.
Rn 7
Die Unwirksamkeit besteht nur im Verhältnis zum Hypothekar (relative Unwirksamkeit; BGH MDR 12, 120, 121 [BGH 13.10.2011 - IX ZR 188/10]); anders als im Fall Rn 2 aE bestehen deshalb keine Bereicherungsansprüche gegen einen Dritten, an den im Voraus gezahlt wurde.
Rn 8
Vor der Beschlagnahme geleistete Vorauszahlungen, die in Übereinstimmung mit dem abgeschlossenen Mietvertrag erfolgten, insb Abreden über einen Baukostenzuschuss mit der Maßgabe, dass im Gegenzug keine oder eine niedrigere Miete zu zahlen ist, sind wirksam (BGH NJW-RR 12, 525 [BGH 15.02.2012 - VIII ZR 166/10]). Darüber hin...