Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
I. Ermächtigung.
Rn 2
Die Ermächtigung der gesetzlichen Vertreter ist als einseitige empfangsbedürftige, formfreie Willenserklärung ggü dem Minderjährigen abzugeben. Sie kann von dem gesetzlichen Vertreter jederzeit zurückgenommen oder eingeschränkt werden (II). Im Unterschied zu § 112 bedürfen die Ermächtigung, ihre Einschränkung sowie ihre Rücknahme nicht der Genehmigung des Familiengerichts. Diese ist nur ausnahmsweise bei auch für den gesetzlichen Vertreter genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften erforderlich (I 2).
II. Umfang.
Rn 3
Die Ermächtigung umfasst alle Dienst- und Arbeitsverträge, aber auch Werkverträge. Auf die Art der Tätigkeit (selbstständig oder unselbstständig) kommt es nicht an. Die Tätigkeit eines Handelsvertreters fällt sowohl unter § 112 als auch unter § 113 (BAG NJW 64, 1641 [BAG 20.04.1964 - 5 AZR 278/63]). Lehrverträge sind keine Dienst- oder Arbeitsverträge iSd Vorschrift, da hier der Ausbildungs- und Erziehungszweck überwiegt (LAG Kiel BB 55, 997; LAG Ddorf AP Nr 1 zu HandwO § 21; Soergel/Hefermehl § 113 Rz 3). Auf öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse findet § 113 entspr Anwendung (BVerwGE 34, 168; OVG Münster NJW 62, 758). Der Umfang der Rechtsgeschäfte, zu denen der Minderjährige ermächtigt ist erfasst alle Rechtsgeschäfte, die in sachlichem Zusammenhang mit dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis stehen. Dazu gehören die Eingehung und Aufhebung eines Dienst- und Arbeitsverhältnis einschl sonstiger Nebenabreden sowie die gesamte Vertragsabwicklung. Der Minderjährige kann den Lohn entgegennehmen, ein zur Lohnzahlung erforderliches Girokonto eröffnen (Capeller BB 61, 454; H P Westermann FamRZ 69, 649; Hagemeister JuS 92, 842), auf Lohn verzichten, mit ihm aufrechnen, ihn stunden oder sich über ihn vergleichen (Soergel/Hefermehl Rz 5). Nicht ermächtigt ist er zur Vereinbarung eines Überziehungskredits (Vortmann WM 94, 967; Kunkel Rpfleger 97, l). Die Ermächtigung umfasst auch den Beitritt zu einer Gewerkschaft (LG Essen AP Nr 3; LG Frankfurt FamRZ 67, 680; Gilles/Westphal JuS 81, 899), nicht aber eine Darlehensaufnahme bei der Gewerkschaft (LG Münster MDR 68, 146 [LG Münster 10.10.1967 - 5 T 500/67]). Minderjährige, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, können nach § 11 Abs 1 Nr 2 SGB X iVm § 36 SGB I selbstständig Anträge auf Sozialleistungen stellen sowie Sozialleistungen entgegennehmen sowie nach § 175 Abs 1 S 3 SGB V wählen, welcher Krankenkasse sie beitreten möchten. Aus dem Rechtsgedanken dieser Regelungen iVm §§ 112, 113 folgt nicht, dass eine zu Werbezwecken in diesem Zusammenhang erfolgende Datenerhebung, in die der Minderjährige eingewilligt hat, stets gerechtfertigt wäre (BGH NJW 14, 2282, 2285 [BGH 22.01.2014 - I ZR 218/12]). Zweifelhaft ist, ob Minderjährige aufgrund der Ermächtigung des § 113 auch den freiwilligen Beitritt zur Sozialversicherung erklären oder einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht stellen können (dafür Soergel/Hefermehl Rz 4; aA Staud/Klumpp Rz 34; MüKo/Spickhoff Rz 26 mwN mit zutreffendem Hinweis auf die Tragweite einer solchen Entscheidung). Da § 1629a I den § 113 nicht erwähnt, ist zweifelhaft, ob sich die Haftung des Minderjährigen für Verbindlichkeiten auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen beschränkt oder der für § 112 geltende § 1629a II analog anzuwenden ist. Wegen der geringeren Selbstständigkeit und des fehlenden Genehmigungserfordernisses ist aus Gründen des Minderjährigenschutzes von einer beschränkten Haftung auszugehen (Staud/Coester § 1629a Rz 33; NK/Kaiser § 1629a Rz 23; Herberger CR 22, 32, 37).
III. Ersetzung der Ermächtigung.
Rn 4
Die Ermächtigung kann durch den Minderjährigen nicht eingeklagt werden. Ist ein Vormund gesetzlicher Vertreter, kann er beim Familiengericht einen Antrag auf Ersetzung der Ermächtigung stellen. Sind die Eltern gesetzliche Vertreter, ist keine Ersetzung möglich (Soergel/Hefermehl Rz 9).