Rn 4
§§ 119, 120 gelten für alle Willenserklärungen, sofern keine Sonderregelungen eingreifen. Für die anfängliche, aber erst nach Vertragsschluss erkennbare, und die nachträgliche Zahlungsunfähigkeit enthält § 321 eine Sonderregelung. IÜ ist eine Anfechtung nicht ausgeschlossen (Soergel/Hefermehl § 119 Rz 42; MüKo/Armbrüster § 119 Rz 134; aA Flume AT, 487).
Rn 5
Sind die Voraussetzungen der kaufrechtlichen Sachmängelgewährleistung erfüllt, kommt nur eine Anfechtung nach §§ 119 I, 123 in Betracht. Eine Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums ist sowohl für den Käufer, der auf die Rechte aus den §§ 437 ff beschränkt ist, als auch für den Verkäufer ausgeschlossen, der sich nicht seiner weitergehenden Haftung entziehen darf (BGH NJW 88, 2598). Das Anfechtungsrecht bleibt ausgeschlossen, auch wenn die Gewährleistungsrechte verjährt (RGZ 135, 341) oder wirksam abbedungen (BGHZ 63, 376f) bzw vom Haftungsausschluss gem § 56 3 ZVG erfasst sind (BGH WM 1107, 2330 Tz 9). Vor Gefahrübergang lässt die Rspr eine Anfechtung des Käufers nach II auch dann zu, wenn er ausnahmsweise bereits die Gewährleistungsregeln geltend machen darf (BGHZ 34, 37). Dem ist zu widersprechen, da sonst das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers und § 442 I 2 umgangen werden können (BeckOK/Wendtland § 119 Rz 8; s.a. Flume AT, 485). Stellt die Eigenschaft dagegen keinen Sachmangel dar, wie eine höherwertige als die vereinbarte Beschaffenheit, bleibt das Anfechtungsrecht unberührt (BGH NJW 88, 2598 [BGH 08.06.1988 - VIII ZR 135/87]). Dies gilt auch, wenn eine Eigenschaft (Baujahr eines Gebrauchtwagens) nicht zur Vertragsgrundlage gemacht wird (BGH NJW 79, 161 [BGH 26.10.1978 - VII ZR 202/76]).
Rn 6
Umstritten ist, ob die mietvertragliche Sachmängelgewährleistung eine Anfechtung des Mieters nach § 119 II ausschließt (bejahend MüKo/Armbrüster § 119 Rz 35; verneinend RGZ 157, 174; LG Essen NZM 06, 294 [LG Essen 20.07.2004 - 15 S 56/04]; Emmerich NZM 98, 694f). Die werkvertragliche Sachmängelgewährleistung verdrängt § 119 II (BGH NJW 67, 719 [BGH 08.12.1966 - VII ZR 114/64]). Für Vergleiche enthält § 779 eine vorrangige Regelung; zur Unterscheidung von Vergleichsgrundlage und -gegenstand BGH NJW 07, 838 [BGH 21.12.2006 - VII ZR 275/05] Tz 11.
Rn 7
Familien- und erbrechtliche Sonderregeln bestehen für die Eheschließung (§ 1314 II Nr 2), die Anerkennung der Vaterschaft (§ 1600c II), letztwillige Verfügungen (§§ 2078, 2080, 2281, 2283) sowie die Erbschaftsannahme (§ 1949). Die §§ 1954, 1955, 1957 verändern die Anfechtungsgründe nicht (BGH NJW 16, 2958 [BGH 29.06.2016 - IV ZR 474/15]).