Prof. Dr. Markus Gehrlein
Gesetzestext
Hat das Pfand einen Börsen- oder Marktpreis, so kann der Pfandgläubiger den Verkauf aus freier Hand durch einen zu solchen Verkäufen öffentlich ermächtigten Handelsmakler oder durch eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person zum laufenden Preis bewirken.
A. Besorgnis eines Verderbs oder einer Wertminderung.
Rn 1
Gemeinsame Voraussetzung der §§ 1218–1221 ist die Besorgnis des Verderbs oder der Wertminderung der Pfandsache vor Pfandreife. Verderb ist der Verlust oder die körperliche Verschlechterung der Sache. Eine wesentliche Wertminderung liegt bei einem erheblichen Rückgang des Kurses oder Preises vor; gleiches gilt bei schnelllebigen Produkten wie Elektronikware (BGH TransportR 13, 353). Bei volatilen Wertpapieren ist ein voraussehbarer stetiger Kursverfall erforderlich (LG Nürnbg-Fürth NJW-RR 03, 184 [LG Nürnberg 12.11.2002 - 11 O 6105/01]). Dass dieser von anderen Aktienwerten abweicht, ist ohne Belang (Nobbe/Pamp Rz 1; aA Saenger/Bergjan EWiR 03, 321, 322).
B. Rechtsfolgen der Besorgnis eines Verderbs oder einer Wertminderung.
I. Rechte des Verpfänders und Eigentümers.
Rn 2
Der Gläubiger hat dem Verpfänder den drohenden Verderb, nicht eine wesentliche Wertminderung, anzuzeigen (§ 1218 II). Andernfalls macht er sich schadensersatzpflichtig.
Rn 3
Verpfänder u Eigentümer (str MüKo/Damrau § 1218 Rz 1; Erman/J. Schmidt § 1218 Rz 3; aA RGRK/Kregel § 1218 Rz 1) können die Pfandsache Zug-um-Zug gg eine andere am Wert des Pfandes (Obergrenze ist allerdings der Wert der Forderung) orientierte (BGH TransportR 13, 353, 354) ausreichende Sicherheit (§§ 232 I; 233–238, 240) austauschen, nicht jedoch gg eine Bürgschaft (§ 1218 I Hs 2). Dieses Recht hat Vorrang vor den Rechten des Gläubigers nach §§ 1219–1221 (BGH aaO). Lehnt der Pfandgläubiger ein berechtigtes Austauschverlangen des Verpfänders ab, macht er sich nach § 280 I schadensersatzpflichtig (BGH aaO).
Rn 4
Insbes wenn der Verpfänder zur Stellung einer solchen anderen Sicherheit nicht in der Lage ist, aber auch dann, wenn sich eine ganz besonders günstige Verkaufsmöglichkeit bietet, kann er nach § 242 vom Gläubiger verlangen, dass er das Pfand freihändig verkauft, sich aus dem Erlös befriedigt oder davon eine andere Sicherheit erwirbt (RGZ 74, 151, 154; 101, 47, 49). Gleiches gilt, wenn der Gläubiger anderweitig ausreichend gesichert ist (BGH DB 56, 183; 66, 378). Kommt der Gläubiger dem nicht nach, ist er schadensersatzpflichtig (§ 280). Ohne Verlangen des Verpfänders kommt eine Verkaufspflicht des Gläubigers grds nicht in Betracht (MüKo/Damrau § 1218 Rz 4; Soergel/Habersack § 1218 Rz 6; zu weitgehend RGZ 109, 181, 182f).
II. Rechte des Pfandgläubigers.
Rn 5
Unter der zusätzlichen Voraussetzung der Gefährdung seiner Sicherheit (s § 237 1) kann der Gläubiger das Pfand öffentlich versteigern (§§ 1219 I, 383 III, 1236–1246) oder, wenn es einen Börsen- oder Marktpreis (§ 385 Rn 1; sowie A Wittig FS Kümpel 587, 601) hat, vor der Pfandreife iSv § 1228 II nach § 1221 durch einen öffentlich ermächtigten Handelsmakler (§ 93 HGB), Börsenhändler (§ 19 II BörsG), Gerichtsvollzieher (§ 383 III), öffentlichen Versteigerer (§ 34b V GewO) oder Notar (§ 20 III BNotO) freihändig zum laufenden Preis verkaufen lassen. Die Regelung betrifft nur bewegliche Sachen (BGH ZInsO 19, 614 Rz 13). Bei Veräußerung unter Marktpreis ist der Verkauf wirksam (hM, Staud/Wiegand Rz 4; NK-BGB/Bülow Rz 4; aA Soergel/Habersack Rz 2), kann aber zu einem Schadensersatzpflicht aus § 280u aus §§ 823 ff führen. Durch die Verpfändung eines Gesellschaftsanteils wird die Stellung des Gesellschafters nicht berührt, der Pfandgläubiger rückt nicht in die Rechtsstellung des Gesellschafters ein (BGH ZInsO 16, 2095 Rz 14).
Rn 6
Die Versteigerung ist nach dem zwingenden § 1220 I grds (Ausn: I 1 Hs 2; III) erst nach Androhung (dazu Mülbert ZBB 90, 144, 156) ggü dem Verpfänder u dem Eigentümer (hM) u bei drohender Wertminderung nach erfolglosem Setzen einer angemessenen Frist zur Leistung einer anderweitigen Sicherheit zulässig. Andernfalls ist der Gläubiger dem Verpfänder, der den Schaden des Eigentümers liquidieren kann, nach § 280, dem Eigentümer nach §§ 823 ff schadensersatzpflichtig. Außerdem sind die Versteigerung u der Eigentumserwerb vorbehaltlich § 1244 unwirksam (hM Staud/Wiegand § 1220 Rz 5; Westermann/Gursky/Eickmann § 129 Rz 11; Erman/J. Schmidt § 1220 Rz 4).
Rn 7
Von Ort u Zeit der Versteigerung hat der Gläubiger den Verpfänder u den Eigentümer (MüKo/Damrau § 1220 Rz 1; Soergel/Habersack § 1220 Rz 1; Nobbe/Pamp Rz 4; aA BeckOGK/Schärtl § 1220 Rz 1 grds (Ausn: § 1220 III) unverzüglich zu unterrichten (§ 1220 II). Andernfalls ist er schadensersatzpflichtig (§ 1220 II Hs 2), die Versteigerung aber gleichwohl wirksam. Über das Erg der Versteigerung hat der Gläubiger den Verpfänder u den Eigentümer zu unterrichten (§ 1241).
Rn 8
An die Stelle des Pfandes tritt im Wege dinglicher Surrogation der Erlös (RGZ 94, 20, 24), der auf Verlangen des Verpfänders bzw des Eigentümers (str AnwK/Bülow § 1219 Rz 9; Erman/J. Schmidt § 1219 Rz 5; aA Soergel/Habersack § 1219 Rz 5) auf Kosten des Verlangenden zu hinterlegen ist (§ 1219 II).