a) Grundsätze.
Rn 8
Jede Partei hat ihre Interessen grds selbst wahrzunehmen (BGH NJW 06, 2618 Tz 28). Eine Täuschung durch Unterlassen (Verschweigen) erfolgt deshalb nur, wenn eine Offenbarungspflicht hinsichtlich des verschwiegenen Umstands besteht (BGH NJW-RR 98, 1406 [BGH 04.03.1998 - VIII ZR 378/96]; BAG NJW 94, 1364 [BAG 11.11.1993 - 2 AZR 467/93]). Die Verletzung einer gesetzlichen Aufklärungspflicht, §§ 312c I, 312e I Nr 2, 482 II, 492 II 5 sowie §§ 15 ff, 32 ff, 37b ff WpHG (vgl BGH NJW 02, 1943 [BGH 12.03.2002 - XI ZR 258/01]; NJW-RR 01, 1416), kann eine Täuschungshandlung begründen. Überwiegend sind Offenbarungspflichten rechtsgeschäftlich begründet. Eine allg Pflicht zur Aufklärung aller für den Geschäftspartner relevanten Umstände besteht nicht (BGH NJW 03, 426 [BGH 28.11.2002 - III ZR 102/02]). Arglistig verschweigt, wer sich bewusst ist, dass ein bestimmter Umstand für die Entschließung seines Vertragspartners erheblich ist, nach Treu und Glauben diesen Umstand mitzuteilen verpflichtet ist und ihn nicht offenbart (BGH NJW 89, 764 [BGH 06.12.1988 - VI ZR 76/88]; 10, 3362 [BGH 11.08.2010 - XII ZR 192/08] Tz 22). Eine Offenbarungspflicht setzt vielfach ein Informationsgefälle zwischen den Geschäftspartnern voraus (Brandbg NJW-RR 96, 726 [OLG Brandenburg 07.12.1995 - 5 U 58/95]). Bei einer Grundstücksschenkung im Rahmen der Trennung von Ehegatten besteht eine Offenbarungspflicht der Ehefrau über die anderweitige Abstammung eines während der Ehe geborenen Kindes (BGH NJW 12, 2728 [BGH 27.06.2012 - XII ZR 47/09] Tz 29). Mangelnde Lebens- oder Geschäftserfahrung kann Aufklärungspflichten begründen (BGHZ 47, 210 f; NJW 92, 302 [BGH 15.10.1991 - VI ZR 314/90]) und deren Umfang beeinflussen (BGH NJW 06, 2618 Tz 27). Ungünstige Eigenschaften einer Person oder Sache müssen grds nicht ungefragt offenbart werden (München NJW 67, 158 [OLG München 28.10.1966 - 7 U 1530/66]). Wer den Mangel einer Kaufsache mit der im eigenen Interesse gebotenen Aufmerksamkeit selbst feststellen kann, darf keine Aufklärung erwarten (BGH NJW 01, 64 [BGH 20.10.2000 - V ZR 285/99]). Eine Aufklärungspflicht über die Absicht, den Partner bei weiteren Geschäften schädigen zu wollen, besteht nicht (Hamm NZG 05, 212f [OLG Hamm 07.10.2004 - 27 U 72/03]). Nimmt der Aufklärungspflichtige an, der Partner sei informiert, fehlt zwar nicht die Täuschung, ggf aber die Arglist (BGH NJW-RR 96, 690 [BGH 26.01.1996 - V ZR 42/94]). Bei Geschäften mit spekulativem Charakter muss grds über die Umstände aufgeklärt werden, die das Geschäft als spekulativ kennzeichnen oder den Ertrag beeinflussen (BGHZ 80, 82 ff; 124, 154; NJW 98, 2676). Dies gilt insb ggü geschäftlich unerfahrenen Personen (zur strukturellen Überlegenheit Staud/Singer/v Finckenstein § 123 Rz 11).
b) Fallgruppen.
Rn 9
Für die Aufklärungspflichten sind insb folgende Fallgruppen herausgebildet: Auf gezielte Fragen muss grds richtig und vollständig geantwortet werden (BGHZ 74, 392; NJW 77, 1915; WM 87, 138; BAG NJW 94, 1364). Will der Gefragte nicht antworten, darf er keine unvollständigen Angaben machen, sondern muss die Antwort verweigern. Ein konkreter Verdacht hinsichtlich der erfragten Umstände ist mitzuteilen (Brem DAR 80, 373). Einer Nachfrage gleichzustellen sein können bestimmte Anforderungsmerkmale in einer Ausschreibung, Leistungsbeschreibung oder einem Inserat (LG Stuttgart NJW-RR 92, 1360). Beim Gebrauchtwagenverkauf muss auf die Frage nach Unfallschäden jeder Bagatellschaden angegeben werden (BGHZ 74, 392; NJW 77, 1915; WM 87, 138), selbst solche, die ungefragt nicht zu offenbaren sind.
Rn 10
Eine Offenbarungspflicht besteht grds, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Erklärendem und Erklärungsempfänger existiert (BGH NJW 92, 302). In Betracht kommen eine besondere persönliche, familiäre oder gesellschaftsrechtliche Verbundenheit (BGH NJW 92, 300), ein Dauerschuldverhältnis mit persönlicher Vertrauensbeziehung (BGH MDR 79, 730), länger währenden Vertragsverhandlungen mit Angaben, die sich vor Vertragsschluss als unrichtig herausstellen (BGH NJW 83, 2492) und besondere Geschäftsbeziehungen (BGHZ 13, 200), aber auch besondere Fachkenntnisse, wie im Wertpapierhandel (BGHZ 80, 82 ff), von Banken (RGZ 111, 234 f; Staud/Singer/v Finckenstein § 123 Rz 23), beim Auftritt als Fachberater (LG Berlin NJW-RR 89, 505), bei einem Architekten (BGH MDR 78, 1009) und ggf im Gebrauchtwagenhandel (BGHZ 63, 386 f; BGH NJW 80, 2185).
Rn 11
Der Erklärende ist über erkennbar besonders wichtige Umstände aufzuklären, die für seine Entschließung von ausschlaggebender Bedeutung sind (BGH NJW 71, 1799; 98, 1316 [BGH 08.12.1997 - II ZR 236/96]), insb wenn sie den Vertragszweck vereiteln oder gefährden können (BGH NJW 79, 2243 [BGH 02.03.1979 - V ZR 157/77]; 89, 764 [BGH 06.12.1988 - VI ZR 76/88]; 00, 2498 [BGH 08.12.1999 - I ZR 230/97]; NJW-RR 98, 1406 [BGH 04.03.1998 - VIII ZR 378/96]). Ist bei der Übernahme von Dienst- oder Werkleistungen eine bestimmte Qualifikation als verkehrsüblich zu erwarten, muss über deren Fehlen a...