1. Grundsatz.
Rn 4
Die Täuschung verlangt wie nach § 263 StGB, dass der Täuschende beim Getäuschten einen Irrtum hervorruft, aufrechterhält oder bestärkt, indem er falsche Tatsachen vorspiegelt bzw wahre Tatsachen entstellt oder unterdrückt (BGH NJW 57, 988; BAG NJW 12, 3390 [BAG 11.07.2012 - 2 AZR 42/11] Tz 22; AnwK/Feuerborn § 123 Rz 23). Im Gegensatz zum strafrechtlichen Betrug ist weder eine Bereicherungsabsicht des Täuschenden noch eine Schädigung des Getäuschten erforderlich (Köln VersR 04, 907). Die Täuschung kann durch positives Tun (Rn 5 ff) oder Unterlassung (Rn 8 ff) erfolgen und muss pflichtwidrig (Rn 22) sowie arglistig (Rn 25) geschehen. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn die Rechtslage des Getäuschten durch die Täuschung nicht mehr beeinträchtigt ist (BGH NJW 00, 2894).
2. Positives Tun.
Rn 5
Eine Täuschung durch Vorspiegeln oder Entstellen von Umständen muss sich auf objektiv nachprüfbare Angaben beziehen (BAG NJW 12, 3390 Tz 22; MüKo/Armbrüster § 123 Rz 29). Zu eng ist es, allein auf Tatsachen abzustellen. Die Täuschung muss sich auf objektiv nachprüfbare Umstände beziehen, die als wahr oder falsch bezeichnet werden können, sofern diese Einfluss auf den Entschluss des Erklärenden haben. Subjektive Werturteile oder Marktschreierische Anpreisungen genügen nicht (BGHZ 3, 273; 169, 109 Tz 24; BGH NJW 07, 3200 Tz 26; BAG NJW 94, 1364; NJW 12, 3390 Tz 22; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen UWG § 5 Rz 1.33). Auf eine Offenbarungspflicht kommt es nicht an. Werden Angaben getätigt, müssen diese wahr sein (BGH NJW 64, 811). Nicht erfasst werden rein subjektive Werturteile (BAG NJW 94, 1364 [BAG 11.11.1993 - 2 AZR 467/93]), Vermutungen oder Marktschreierische Angaben ohne sachlichen Gehalt, die von einem verständigen Menschen nicht ernst genommen werden (Staud/Singer/v Finckenstein § 123 Rz 7).
Rn 6
Die Täuschung kann sich auf äußere Umstände wie wertbildende Merkmale des Vertragsgegenstands beziehen. Dazu gehören der Kilometerstand eines Pkw (BGH NJW 60, 237 f [BGH 29.10.1959 - VIII ZR 125/58]; Köln NJW-RR 88, 1136), die Bezeichnung auch einzelner Teile als neu oder neuwertig (KG OLGZ 72, 403), als generalüberholt (BGH NJW 95, 956 [BGH 18.01.1995 - VIII ZR 23/94]), fahrbereit (BGH NJW 93, 1854f [BGH 21.04.1993 - VIII ZR 113/92]), die Täuschung über die Zahl von zwei statt fünf Vorbesitzern (Ddorf DAR 02, 506 [OLG Düsseldorf 28.06.2002 - 22 U 13/02]), den grauen Import bzw Reimport (LG Düsseldorf DAR 87, 385; Saarbr NJW-RR 99, 1063 f; nicht bei Privatverkauf Zweibr BeckRS 21, 19987), die Unfallfreiheit (BGH NJW 82, 1386 [BGH 03.03.1982 - VIII ZR 78/81]), die Bagatellisierung von Unfallschäden (München MDR 01, 1407 [OLG München 01.06.2001 - 21 U 1608/01]), nicht aber die Bezeichnung eines sechs Jahre alten Pkw mit einem ordnungsgemäß reparierten Blechschaden als unfallfrei (Karlsr DAR 02, 167). Wer ohne eigene Untersuchung Unfallfreiheit zusichert, muss die Begrenztheit des Kenntnisstands verdeutlichen (BGHZ 168, 70). Bei Immobilien kann getäuscht werden über den Baubeginn (BGH NJW 07, 3200 Tz 26), ihre Finanzierung aus Erträgen und Steuervorteilen (KG NJW 98, 1082 [KG Berlin 01.04.1997 - 7 U 5782/95]) bzw öffentlich-rechtliche Nutzungsverbote oder Beschränkungen (BGH NJW-RR 88, 394 [BGH 16.10.1987 - V ZR 170/86]; 1290f [BGH 10.06.1988 - V ZR 125/87]). Eine Täuschung kann durch unzutreffende Angaben über die Preisgestaltung erfolgen, etwa bei der Bezeichnung eines überhöhten Preises als ordentlichen Preis bzw Freundschaftspreis (Saarbr OLGZ 81, 248), als günstigen Preis verbunden mit der Herkunftsangabe aus Malernachlass (Hamm NJW-RR 93, 628 [OLG Hamm 12.06.1992 - 29 U 63/91]), eines oberhalb der Herstellerempfehlung liegenden Preises als Sonderpreis (Frankf DAR 82, 294) oder bei Nennung eines unrichtigen Einstandspreises bzw der Verdienstspanne. Getäuscht werden kann über sonstige – nicht notwendig verkehrswesentliche – Eigenschaften des Gegenstands oder Umstände des Geschäfts, wie das Alter von Teppichen (BGH DB 77, 671 [BGH 08.12.1976 - VIII ZR 135/75]), Möbeln oder Kunstgegenständen (Ddorf NJW 02, 614 [LG Lüneburg 11.08.2000 - 8 S 41/00], Replikate), die Täuschung eines beschränkt deutsch sprechenden Migranten über die schulische Notwendigkeit eines 18-bändigen Lexikons (AG Ibbenbüren NJW 05, 2464), die Qualität einer Ferienwohnung beim Timesharing (Ddorf NJW-RR 95, 686 [OLG Düsseldorf 21.10.1994 - 14 U 158/93]), die Rechtsverfolgungsaussichten bei einer abgetretenen Forderung (BGH VIZ 2001, 487 [BGH 23.05.2001 - VIII ZR 51/00]), den Namen, die berufliche Stellung oder Qualifikation des Geschäftspartners, die Gewährleistung von Kundendienst und Wartung (BGH NJW 80, 784), die Entgeltlichkeit und Laufzeit einer Adressbucheintragung (BGH NJW-RR 05, 1083 [BGH 22.02.2005 - X ZR 123/03]), über die Anerkennung eines Ausbildungsabschlusses (Frankf NJW-RR 05, 1145 [OLG München 14.04.2005 - 19 U 5861/04]; s.a. Rn 7), durch den Einsatz eines Bietroboters bei Internetauktionen oder das Vortäuschen eines Selbstmordversuchs beim A...