Rn 36
Eine Drohung ist widerrechtlich, wenn das angedrohte Mittel, der erstrebte Zweck oder das Verhältnis zwischen beiden (Mittel-Zweck-Relation) widerrechtlich ist (BGHZ 25, 220; BGH NJW 10, 1364 Tz 33; NJOZ 17, 1701 Tz 13; BAG NJW 99, 2061). Liegt ein Rechtfertigungsgrund vor, ist die Erklärung nicht anfechtbar (AnwK/Feuerborn § 123 Rz 88).
1. Widerrechtliches Mittel.
Rn 37
Eine Drohung ist widerrechtlich, wenn das angedrohte Mittel (Verhalten) gegen die Rechtsordnung verstößt, weil es strafbar, rechts- oder sittenwidrig ist. Widerrechtlich ist die Drohung mit einem Vertragsbruch (BGH NJW 95, 3053 [BGH 12.07.1995 - XII ZR 95/93]), selbst wenn eine wirksame und fällige Forderung durchgesetzt werden soll (BeckOK/Wendtland § 123 Rz 29.1). Dies gilt etwa bei einer unter Androhung eines Lieferstopps erzielten Vertragsänderung (Stuttg BeckRS 22, 41701). Widerrechtlich ist, die Notaufnahme im Krankenhaus von der Vereinbarung von Wahlleistungen abhängig zu machen (Köln VersR 82, 677). Ein Preisnachlass, den ein Autokäufer mit Druck und bewusst falschen Behauptungen herausgehandelt hat, kann widerrechtlich sein (Kobl BeckRS 2014, 21209). Die Drohung eines Richters mit nachteiligem Urt bei Ablehnung eines Vergleichs soll rechtswidrig sein (BAG NZA 10, 1250 [BAG 12.05.2010 - 2 AZR 544/08] Tz 28; BGH NJW 66, 2399 [BGH 06.07.1966 - Ib ZR 83/64]; aA Schneider ebd). Grds rechtmäßig ist die Drohung mit von der Rechtsordnung zugelassenen und in der Situation objektiv zu erwägenden Rechtsbehelfen (BGH NJW 05, 2768 [BGH 19.04.2005 - X ZR 15/04]; aber unten Rn 39), zB Zurückbehaltungsrecht, Rechtsstreit (BGHZ 79, 143f), Zwangsvollstreckung (BGH WM 84, 1249), Insolvenzantrag, Kündigung (BGH NJW 05, 2768), Strafanzeige (BGHZ 25, 219; BAG NJW 99, 2061) oder Boykottaufruf im Arbeitskampf (BAG NJW 77, 318). Es müssen weder eine Bedenkzeit noch ein Widerrufsrecht (dazu BAG NJW 04, 2403 [BAG 27.11.2003 - 2 AZR 135/03]) eingeräumt werden (BAG NJW94, 1022). Die Verfolgung von Rechten ist selbst dann berechtigt, wenn das Recht nicht existiert, falls ein guter Glaube oder ein berechtigtes Interesse bestehen (BGH NJW 05, 2768 [BGH 19.04.2005 - X ZR 15/04]).
2. Widerrechtlicher Zweck.
Rn 38
Selbst wenn das Druckmittel rechtmäßig ist, kann die Drohung aufgrund des subjektiv angestrebten rechts- oder sittenwidrigen Zwecks widerrechtlich sein. Es genügt aber nicht, dass der Drohende keinen Anspruch auf den erstrebten Erfolg hat (BGH NJW 97, 1981). Der Erfolg selbst muss rechtswidrig sein (BGHZ 25, 220). Zumeist wird die Willenserklärung bereits nach §§ 134, 138 nichtig sein (Larenz/Wolf AT § 41 Rz 133). Die Ankündigung einer Mandatsniederlegung ohne Sonderhonorar ist rechtmäßig (BGH DB 78, 1174 [BGH 12.01.1978 - III ZR 53/76]; NJW 02, 2775 [BGH 04.07.2002 - IX ZR 153/01], anders zur Unzeit).
3. Inadäquanz von Mittel und Zweck.
Rn 39
Sind weder Mittel noch Zweck rechtswidrig, kann dennoch der Einsatz des Mittels für den konkreten Zweck zu missbilligen sein. IRd erforderlichen Gesamtwürdigung ist zu prüfen, ob der Drohende an der Erreichung des erstrebten Erfolgs ein berechtigtes Interesse hat und ob die Drohung ein angemessenes Mittel darstellt (BGHZ 25, 220; BGH NJW 83, 385; BAG NJW 04, 2402). Zu missbilligen ist die Drohung, ein Haus nur zu übergeben, wenn der Bedrohte eine Sonderzahlung anerkennt und auf Vorbehalte verzichtet (BGH NJW 82, 2301 [BGH 06.05.1982 - VII ZR 208/81]). Eine Klageandrohung muss grds selbst bei einer unbegründeten Klage hingenommen werden, anders bei unlauterer Prozessführung, die etwa nur der Verzögerung dient (BGHZ 79, 143f). Bei Drohung mit einer Strafanzeige ist darauf abzustellen, ob ein innerer Zusammenhang zwischen der anzuzeigenden Tat und dem verfolgten Interesse besteht. Nicht widerrechtlich ist die Drohung, wenn der Bedrohte zur Ersatzleistung wegen seiner verübten Straftat angehalten werden soll (BGHZ 25, 220 f; BGH WM 63, 512). Die Drohung des ArbG mit Strafanzeige, um den ArbN zur Unterzeichnung eines Schuldanerkenntnisses zu veranlassen, ist bei begründetem Verdacht nicht unangemessen (BAG NJW 99, 2061). Grds inadäquat ist die Drohung mit einer Strafanzeige gegen Dritte, etwa Familienangehörige (Karlsr VersR 92, 704), außer der Dritte war an der Tat beteiligt (BGH WM 73, 575). Eine zufällig bekannt gewordene Straftat darf nicht genutzt werden, um andere zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen (BAG NJW 99, 2061 [BAG 22.10.1998 - 8 AZR 457/97]). Die Drohung mit Mandatskündigung ist nicht rechtswidrig (BGH NJW 10, 1364 [BGH 04.02.2010 - IX ZR 18/09] Tz 36), anders wenn sie unmittelbar vor Aufruf der Sache zur Durchsetzung einer günstigeren Vergütungsvereinbarung oder entspr Haftungsvereinbarung erfolgt (BGH NJW 13, 1591Tz 12 ff). Die Drohung eines ArbG mit (außer-)ordentlicher Kündigung ist rechtswidrig, wenn die Kündigung jeder Grundlage entbehrt und ein verständiger ArbG sie nicht in Erwägung gezogen hätte (BAG NZA 96, 1031 [BAG 21.03.1996 - 2 AZR 543/95]; 08, 348 [BAG 28.11.2007 - 6 AZR 1108/06] Tz 48). Wurde die Kündigung vor den Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag ausgesprochen, fehlt...