1. Grundsatz.
Rn 26
Auf einer arglistigen Täuschung beruhende, nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen können unabhängig davon angefochten werden, wer den Erklärenden getäuscht hat. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist dagegen die Anfechtbarkeit wegen einer Täuschung im Interesse des Verkehrsschutzes beschränkt. Hat ein Dritter die Täuschung verübt, kann die Willenserklärung nach § 123 II 1 nur angefochten werden, wenn der Erklärungsempfänger die Täuschung kannte oder kennen musste. Scheitert danach das Anfechtungsrecht an der Gutgläubigkeit des Erklärungsempfängers, eröffnet § 123 II 2 ein Anfechtungsrecht, wenn ein anderer aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat und dieser Begünstigte die Täuschung kannte oder kennen musste. Es kann auch ein deliktischer Schadensersatzanspruch nach § 823 II iVm § 263 StGB bestehen (BGH NJW 11, 1962 [BGH 18.01.2011 - VI ZR 325/09] Tz 8).
2. § 123 II 1.
a) Person des Dritten.
Rn 27
Vorbemerkung. Ggü einem bösgläubigen Erklärungsempfänger ist die Willenserklärung stets anfechtbar. Es kommt nicht darauf an, ob der Täuschende Dritter oder dem Geschäftskreis des Empfängers zuzurechnen ist. Anders ggü einem gutgläubigen Erklärungsempfänger (Erman/Arnold § 123 Rz 32f). Maßgebend für II 1 und 2 ist, ob der Täuschende Dritter ist (BGH WM 11, 2311 Tz 34). Im Interesse eines weitgefassten Anfechtungsrechts wird hier die Stellung als Dritter restriktiv interpretiert.
Rn 28
Dritter iS der Vorschrift ist der Außenstehende (BAG NZA 98, 34), der am Geschäft unbeteiligt ist und dessen Verhalten sich der Erklärungsempfänger nicht zurechnen lassen muss. Täuscht der Schuldner den Sicherungsgeber, verfolgt er als Dritter eigene Interessen und steht nicht im Lager des Sicherungsnehmers (BGH WM 63, 252), ebenso wenn der Darlehensnehmer die Person täuscht, die eine Mithaftung übernimmt (LG Ulm WM 84, 28). Wer den Vertragsschluss wie ein Makler vermittelt, kann Dritter sein (BGZ 33, 309; zum Versicherungsvertreter aber Hamm VersR 74, 562f), ebenso wer den Vertragsschluss aus eigenem Antrieb anbahnt (BGH NJW 96, 1051), anders aber, wenn ein Vermittler/Makler die Verhandlungen für den Erklärungsempfänger führt (vgl BGH NJW 96, 451 [BGH 24.11.1995 - V ZR 40/94]). Eine Vertragsübernahme – Zustimmung des Vermieters zum Mieterwechsel – kann von der im Vertrag verbleibenden Partei nur angefochten werden, wenn die ausscheidende und die eintretende Partei entweder selbst getäuscht hat oder bösgläubig war (BGH NJW 98, 533 [BGH 03.12.1997 - XII ZR 6/96]). Im Rahmen des Abgasskandals wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen muss sich der Verkäufer ein arglistiges Handeln des Herstellers nicht zurechnen lassen (Kobl MDR 18, 24; Stuttg DAR 18, 212; Köln BeckRS 18, 21349; Karlsr NJW-RR 22, 822; s.a. LG Stuttgart BeckRS 21, 34446).
Rn 29
Kein Dritter ist ein am Vertragsschluss Beteiligter, dessen Verhalten dem des Erklärungsempfängers gleichzusetzen ist (BGH NJW 96, 1051). Gesetzliche und rechtsgeschäftliche Vertreter, auf deren Kenntnis gem § 166 I abzustellen ist (BAG NJW 12, 3390 Tz 27), beauftragte Verhandlungsführer und Verhandlungsgehilfen ohne Abschlussvollmacht sind keine Dritten (BGHZ 47, 230 f; BGH NJW 96, 1051). Andere am Zustandekommen eines Geschäfts Beteiligte sind keine Dritten, wenn sie wegen ihrer engen Beziehung zum Erklärungsempfänger als dessen Vertrauensperson erscheinen (BGH NJW 78, 2145; 89, 2880 [BGH 01.06.1989 - III ZR 261/87]; 90, 1662; 20, 3312). Die Zurechnung erfolgt bei diesen sonstigen Hilfspersonen nach denselben Maßstäben wie bei § 278. Die von ihr vorgenommene Handlung muss zum allgemeinen Umkreis des Aufgabenbereichs gehören, zu dessen Wahrnehmung sie bestellt ist (BGH NJW 11, 2874 [BGH 30.03.2011 - VIII ZR 94/10]; 20, 3312 [BGH 09.06.2020 - VIII ZR 315/19]). Dies gilt für den vollmachtlosen Vertreter dessen Handeln genehmigt wurde (BGH WM 79, 237), den Vertragspartner des Erklärungsempfängers (Kobl NJW-RR 03, 120 [OLG Koblenz 11.12.2001 - 3 U 1642/00]), den Schuldner als Beauftragten des Gläubigers im Verhältnis zum Bürgen (BGH NJW 62, 1907 f [BGH 20.06.1962 - V ZR 209/60]; nicht Verhandlungsanstoß BGH NJW-RR 92, 1006 [BGH 09.04.1992 - IX ZR 145/91]) und den Strohmann (BeckOK/Wendtland § 123 Rz 22). Beim finanzierten Kauf kann die Täuschung des Veräußerers der Bank zuzurechnen sein, wenn sie aus Sicht des Darlehensnehmers(Erwerbers) als Handlung des Kreditgebers erscheint (BGH NJW 78, 2145), s.a. § 358. Zur Zurechnung der Haustürsituation BGH NJW 07, 364 Tz 11. Beim verbundenen Geschäft muss sich die das Anlagegeschäft finanzierende Bank die Täuschung des Vermittlers über das Anlageobjekt zurechnen lassen (BGHZ 167, 239 Tz 29; BGH NJW 07, 3200 Tz 25). Der Vermittler sowohl einer Fondsbeteiligung als auch eines Darlehens ist für die kreditgebende Bank kein Dritter (BGH NJW 06, 1957 [BGH 25.04.2006 - XI ZR 219/04]; 07, 2407 [BGH 05.06.2007 - XI ZR 348/05] Tz 14). Beim Leasingvertrag ist der die Vorverhandlung führende Hersteller oder Händler kein Dritter des Leasinggebers (BGH NJW 89, 288). IRe Auffangtatbes...