1. Voraussetzungen.
Rn 28
Es besteht keine allg Pflicht, Empfangsvorkehrungen zu treffen oder -einrichtungen zu schaffen (BGHZ 67, 278). Ein bei der Post niedergelegtes Einschreiben muss idR nicht abgeholt werden (BGH NJW 96, 1968; BAG NJW 97, 147). Im privaten Verkehr müssen grds kein Briefkasten vorhanden, kein Namensschild angebracht (LAG Bremen DB 01, 2719) und eine Telekommunikationseinrichtung (Anrufbeantworter, Fax, E-Mail) nicht funktionsfähig sein. Verzögerungen durch einen Nachsendeauftrag gehen zulasten des Erklärenden (BGH NJW 96, 1968 [BGH 16.04.1996 - VI ZR 362/95]). Dazu bestehen gewichtige Einschränkungen. Wer aufgrund bestehender oder angebahnter geschäftlicher Beziehungen mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, muss geeignete Vorkehrungen treffen, damit ihn derartige Erklärungen erreichen (BGH NJW 98, 977 [BGH 26.11.1997 - VIII ZR 22/97]; BAG NZA 06, 205). Dies gilt insb für Kaufleute, § 362 HGB, aber auch allg im unternehmerischen Geschäftsverkehr. Muss ein ArbN aufgrund eines Verfahrens vor dem Integrationsamt mit einer Kündigung rechnen, kann er sich nicht auf den verspäteten Zugang der Erklärung berufen, wenn er trotz eines Benachrichtigungsscheins das Schreiben nicht zeitnah von der Postdienststelle abgeholt hat (BAG NZA 03, 723 [BAG 07.11.2002 - 2 AZR 475/01]) oder wenn er trotz Umzugs die neue Adresse nicht mitteilt (BAG NZA 06, 206 [BAG 22.09.2005 - 2 AZR 366/04]). Wer sich im privaten Rechtsverkehr bei der Geschäftsanbahnung einer Telekommunikationsform bedient, zB E-Mail (Ultsch NJW 97, 3007), oder auf sie verweist, etwa Fax-Anschluss (BeckOK/Wendtland § 130 Rz 25), muss für ihre Funktionsfähigkeit sorgen. Dies gilt auch beim Schutz durch eine Firewall.
2. Folgen.
Rn 29
Scheitert der Zugang an einem objektiv pflichtwidrigen Zugangshindernis (Soergel/Hefermehl § 130 Rz 28 aE; AnwK/Faust § 130 Rz 67; aA Neuner AT § 33 Rz 45, auch Vorwerfbarkeit), kann sich der Empfänger nicht auf die Verspätung berufen, wenn der Erklärende alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan hat, damit seine Erklärung den Adressaten erreichen konnte. Nach Kenntnis vom nicht erfolgten Zugang ist regelmäßig ein unverzüglicher erneuter Versuch zu unternehmen, um die Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers zu bringen, dass diesem ohne Weiteres eine Kenntnis ihres Inhalts möglich ist (BGH NJW 83, 1968 [BVerfG 22.02.1983 - 1 BvL 17/81]; 98, 977 [BGH 26.11.1997 - VIII ZR 22/97]; BeckOK/Wendtland § 130 Rz 22). Es gilt insoweit eine Rechtzeitigkeitsfiktion (AnwK/Faust § 130 Rz 66; Bork AT Rz 637). Unternimmt der Erklärende nichts, treten die Rechtsfolgen der Erklärung nicht ein (Medicus/Petersen AT Rz 278). Nach aA soll bei einem Einschreiben, über das mit einem Benachrichtigungsschein informiert wird, spätestens am übernächsten Tag eine Zugangsfiktion gelten (LG Freiburg NJW-RR 04, 1377 [LG Freiburg 01.07.2004 - 3 S 317/03]; Grüneberg/Ellenberger § 130 Rz 18). Ist das objektiv bestehende Leistungshindernis auch subjektiv vorwerfbar, kommt zudem ein Schadensersatzanspruch insb aus §§ 280 I, 241 II, 311 II in Betracht (Soergel/Hefermehl § 130 Rz 28).