Gesetzestext
1Eine Ehe darf nicht geschlossen werden zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern. 2Dies gilt auch, wenn das Verwandtschaftsverhältnis durch Annahme als Kind erloschen ist.
A. Eheschließungsverbot.
Rn 1
[nicht besetzt]
Rn 2
Dieses absolute Eheverbot beruht auf dem sog Inzestverbot und besteht, wenn die Verlobten miteinander in gerader Linie verwandt oder Geschwister sind. Als zweiseitiges Verbot gilt es bei Eheschließung im Inland zB auch dann, wenn ein ausländischer Verlobter nach seinem Heimatrecht eine Geschwisterehe eingehen darf. Das Eheverbot korrespondiert mit der Strafbarkeit nach § 173 StGB (dazu BVerfG FamRZ 08, 757). Als Ehehindernis gilt es insb auch für den Standesbeamten, der vor einer Eheschließung vAw zu prüfen hat, ob Verwandtschaft iSv § 1307 vorliegt (Köln StAZ 2005, 232). Eine Befreiung vom Eheverbot oder die Heilung eines Verstoßes ist nicht vorgesehen.
Rn 3
Verwandtschaft in gerader Linie bestimmt sich nach § 1589 I. Auf den Grad der Verwandtschaft kommt es nicht an. Über § 1589 hinaus bedeutet ›Abstammung‹ hierbei nicht nur die über §§ 1591 ff anzuknüpfende rechtliche Abstammung, sondern jede genetische Abstammung. Dasselbe gilt für vollbürtige und halbbürtige Geschwister, also Personen, die unmittelbar von zumindest einem gemeinsamen Elternteil abstammen. Daher darf ein Kind eines Samenspenders weder diesen noch ein anderes Kind desselben heiraten; entspr gilt im Fall der Eizellenspende (NK/Antomo § 1307 Rz 2). Das Eheverbot erstreckt sich nicht auf die Ehe mit Onkel/Tante, Cousine/Cousin.
Rn 4
Nach S 2 der Vorschrift bleibt das Eheverbot bei adoptionsrechtlich bedingtem Erlöschen eines Verwandtschaftsverhältnisses aufgrund der (vermuteten) genetischen Beziehung bestehen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass in bestimmtem gesetzlich geregeltem Umfang bei Adoption eine rechtliche Verwandtschaft zwischen idR nicht durch genetische Abstammung verbundenen Personen entsteht, während die zu anderen Personen bestehende Verwandtschaft ggf erlischt. Hierbei gilt als Grundsatz die Regelung in § 1754 I u II, wonach das adoptierte Kind die rechtliche Stellung eines Kindes des Annehmenden erhält und damit im Rechtssinne mit diesem verwandt wird, was sich auf die Verwandten des Annehmenden sowie des Angenommenen erstreckt. Umgekehrt erlöschen grds die Verwandtschaftsverhältnisse des angenommenen Kindes und seiner Abkömmlinge zu seinen bisherigen Verwandten (§ 1755). Ausnahmen gelten bei der Verwandten- und der Stiefkindadoption (§ 1756) sowie bei der Adoption Volljähriger (§ 1770). Besonderheiten gelten für vor dem 1.1.77 Adoptierte (Art 12 §§ 1–3 AdoptG v 2.7.76 [BGBl I 1749]).
Rn 5
Im Gegensatz zu der Annahme eines Minderjährigen, bei der sich der Kreis der Verwandten, auf die sich das Eheverbot erstreckt, unmittelbar nach § 1307 bestimmt, bezieht sich das Eheverbot bei der Volljährigenadoption nur auf die Abkömmlinge des Angenommenen, nicht aber auf die Verwandten des Annehmenden (§ 1770 Abs 1). Deshalb kann die als Volljährige Angenommene ohne familiengerichtliche Befreiung den leiblichen Sohn ihres Adoptivvaters heiraten (AG Bad Hersfeld StAZ 07, 275).
B. Wirksamkeitsfrage.
I. Eheschließung seit dem 1.7.98.
Rn 6
Entgegen dem Eheverbot geschlossene Ehen sind wirksam, aber nach § 1314 I Nr 2 aufhebbar. Nach dem Tod eines Ehegatten ist eine Aufhebung nicht mehr möglich (§ 131 FamFG). Die Folgen einer rechtskräftigen Aufhebung ergeben sich aus § 1318 I–IV.
Rn 7
[nicht besetzt]
II. Altehen.
Rn 8
Bei Eheschließung vor dem 1.7.98 ergab sich aus §§ 5, 20 I, 23 EheG aF ›Nichtigkeit‹ der verbotswidrig geschlossenen Verwandtenehe, welche allerdings erst mit Rechtskraft der die Nichtigkeit aussprechenden Entscheidung rückwirkend eintrat; ohne eine solche Entscheidung galt die Ehe als wirksam. Die Nichtigerklärung war auch noch nach dem Tode eines der Ehegatten möglich (§ 24 EheG; Übergangsregelung Art 226 II, III EGBGB). Nach Art 226 III EGBGB ist die Aufhebung nach neuem Recht zulässig, also keine rückwirkende Nichtigerklärung mehr möglich.
Rn 9
Besonderheiten gelten für vor dem 3.10.90 auf dem Gebiet der damaligen DDR geschlossene Ehen. Nach Anlage I Kap III Sachgebiet B Abschnitt III Nr 11a des Vertrages zur Herstellung der deutschen Einheit vom 30.9.90 gelten §§ 1–21 EheG nicht für vor dem 3.10.90 geschlossene Ehen. Die Wirksamkeit solcher Ehen bestimmt sich nach dem bis dahin auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geltenden Recht.