Gesetzestext
(1) Wird die Willenserklärung einem Geschäftsunfähigen gegenüber abgegeben, so wird sie nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht.
(2) 1Das Gleiche gilt, wenn die Willenserklärung einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person gegenüber abgegeben wird. 2Bringt die Erklärung jedoch der in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person lediglich einen rechtlichen Vorteil oder hat der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung erteilt, so wird die Erklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihr zugeht.
A. Normzweck und Anwendungsbereich.
Rn 1
§ 131 normiert die Wirksamkeit einer empfangsbedürftigen Willenserklärung, die ggü einem nicht voll Geschäftsfähigen abgegeben wird. Die Vorschrift bildet das Spiegelbild zu den Bestimmungen über die Abgabe einer Willenserklärung durch diesen Personenkreis und dient ebenfalls ihrem Schutz. Die ggü einem Geschäftsunfähigen abzugebende Willenserklärung wird nach § 130 I ebenso wenig durch Zugang an ihn wirksam, wie seine Willenserklärung gem § 105 I wirksam ist. Die ggü einem beschränkt Geschäftsfähigen abzugebende Erklärung wird nach § 131 II nur ausnahmsweise durch Zugang an ihn wirksam, wie auch seine Willenserklärung nach den §§ 106 ff nur in Ausnahmefällen wirksam wird.
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
Die Regelung gilt für empfangsbedürftige Willenserklärungen sowie geschäftsähnliche Handlungen (AG Meldorf NJW 89, 2548 [AG Meldorf 14.12.1988 - 31 C 585/87]). Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen werden mit Abgabe wirksam, auch wenn sie, wie ein Testament, die Rechtsstellung eines nicht voll Geschäftsfähigen berühren (BeckOK/Wendtland § 131 Rz 2). Für Erklärungen ggü Bewusstlosen und vorübergehend Geistesgestörten gilt nicht § 131. Bei ihnen ist für Erklärungen unter Abwesenden auf die Zugangsregeln nach § 130 (§ 130 Rn 8 ff) abzustellen. Bei Erklärungen unter Anwesenden gilt dann das zu § 130 Rn 23 ff Gesagte.
C. Willenserklärungen ggü Geschäftsunfähigen, § 131 I.
Rn 3
Die ggü einem Geschäftsunfähigen, § 104, abzugebende Willenserklärung wird wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Die Erklärung muss ggü dem Vertreter abgegeben, dh an ihn gerichtet oder für ihn bestimmt sein (BAG NJW 11, 872 [BAG 28.10.2010 - 2 AZR 794/09] Tz 24). Eine bloß zufällige Kenntnis genügt nicht (Ddorf VersR 61, 878; LG Berlin MDR 82, 321 [LG Berlin 05.11.1981 - 61 S 198/81]; MüKo/Einsele § 131 Rz 3). Bei der gesetzlichen Vertretung eines Kindes durch die Eltern genügt der Zugang an einen Elternteil. Der Geschäftsunfähige kann Erklärungsbote des Erklärenden sein. Ein Empfangsbote des gesetzlichen Vertreters ist er nur, wenn er dazu bestellt wurde (Erman/Arnold § 131 Rz 3).
D. Willenserklärungen ggü beschränkt Geschäftsfähigen, § 131 II.
Rn 4
Grds gilt nach § 131 II 1 für den Zugang einer Willenserklärung ggü einem beschränkt Geschäftsfähigen das Gleiche, wie für Willenserklärungen ggü Geschäftsunfähigen. Die Erklärung muss dem gesetzlichen Vertreter zugehen. IRe Teilgeschäftsfähigkeit gem §§ 112, 113 ist die Erklärung ggü dem beschränkt Geschäftsfähigen wirksam. Bei einer Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt, § 1903 – beachte nF §§ 1825, 1864 –, muss die Erklärung dem Betreuer zugehen, es sei denn, sie betrifft eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens, § 1903 III 2 – § 1825 nF.
Rn 5
Entspr dem Gedanken aus § 107 wird gem § 131 II 2 Alt 1 eine Willenserklärung, die lediglich rechtlich vorteilhaft ist, mit dem Zugang an den beschränkt Geschäftsfähigen wirksam. Lediglich rechtlich vorteilhaft ist auch das dem beschränkt Geschäftsfähigen gemachte Vertragsangebot, und zwar unabhängig von seinem Inhalt, weil es die Möglichkeit eröffnet, durch die Annahme einen Vertrag zu schließen (AnwK/Faust § 131 Rz 11). Auch ein neutrales Geschäft, wie eine Bevollmächtigung, kann ggü dem beschränkt Geschäftsfähigen erklärt werden (Frankf MDR 64, 756).
Rn 6
Eine Willenserklärung wird durch Zugang an den beschränkt Geschäftsfähigen wirksam, wenn eine Einwilligung (§ 183) des gesetzlichen Vertreters vorliegt, § 131 II 2 Alt 2. Eine Genehmigung ist nicht vorgesehen und kann grds auch nicht erfolgen. Nur wenn durch Erklärung ggü einem beschränkt Geschäftsfähigen ein Vertragsangebot angenommen wird, kann der gesetzliche Vertreter neben der Erklärung des beschränkt Geschäftsfähigen ausnahmsweise den Zugang der Annahmeerklärung genehmigen, damit § 108 nicht entwertet wird (BGHZ 47, 358). Auf einseitige empfangsbedürftige Erklärungen ist dies nicht übertragbar.