I. Verstoß gegen § 1303 (Ehemündigkeit).
Rn 4
Aufhebbar kann eine Ehe sein, wenn ein Ehegatte bei Eheschließung minderjährig (mindestens 16-jährig) war. Die Norm räumt dem Gericht ein eingeschränktes Ermessen ein (BGH FamRZ 20, 1533). Bei einer Eheschließung mit einem Minderjährigen unter 16 Jahren liegt eine Nichtehe vor, aus der keine Rechte oder Pflichten erwachsen, die nicht bestätigt werden kann und daher auch nicht aufhebbar ist.
Rn 5
Wird die Ehe mit einem mindestens 16-jährigen Minderjährigen geschlossen, entfällt die Aufhebbarkeit, wenn entweder der Minderjährige inzwischen volljährig geworden ist und die Ehe bestätigt wird (§ 1315 I 1 Nr 1 – 1. Alt) oder die Aufhebung eine außergewöhnliche Härte für den Minderjährigen bedeuten würde (§ 1315 I 1 Nr 1 2. Alt). Letzteres ist anzunehmen, wenn eine Ehe unter Beteiligung eines das 16. Lebensjahr vollendeten Minderjährigen im EU-Ausland wirksam geschlossen worden war und die Aufhebung der Ehe das Recht auf Freizügigkeit nach Art 21 AEUV und die Rechte der Arbeitnehmerfreizügigkeit und Aufenthalt nach Art 45 Abs 3 lit b und c AEUV verletzt (Frankf FamRZ 19, 1853). Selbst wenn ein Ausschlussgrund gem § 1315 Abs 1 S 1 fehlt, kann von einer Eheaufhebung ausnw dann abgesehen werden, wenn feststeht, dass die Aufhebung in keiner Hinsicht unter Gesichtspunkten des Minderjährigenschutzes geboten ist, sondern vielmehr gewichtige Umstände gegen sie sprechen (BGH FamRZ 20, 1533 Rz 34 ff).
II. Verstoß gegen § 1304 (Geschäftsunfähigkeit).
Rn 6
Die Ehe des bei Eheschließung Geschäftsunfähigen (§ 104 Nr 2) ist wirksam, aber aufhebbar. Für beschränkt Geschäftsfähige (§ 106) gilt § 1303. Die Geschäftsunfähigkeit muss ehebezogen sein (›Ehegeschäftsunfähigkeit‹; Brandenbrg FamRZ 2011, 216). Es kommt deshalb darauf an, ob bei dem Verlobten die Einsichtsfähigkeit für das Wesen der Ehe besteht und ob er in der Lage ist, seine Entscheidung zur Eheschließung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (Ddorf FamRZ 97, 294). Bei ernst zu nehmendem Heiratswillen kann auch bei einer stark debilen Person eine Eheschließung in Betracht kommen (AG Rottweil FamRZ 90, 626), ebenso in einem ›lichten Augenblick‹ oder wenn trotz Geistesschwäche partielle Geschäftsfähigkeit für die Eheschließung besteht (BayObLG FamRZ 97, 297).
Rn 7
Der Standesbeamte muss Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit vAw nachgehen (§ 13 I 1 PStG). Dazu besteht idR Veranlassung, wenn für den Betroffenen ein Betreuer bestellt ist, insb wenn ein Einwilligungsvorbehalt (§ 1825) besteht, der allerdings speziell für die Erklärung zur Eheschließung nicht angeordnet werden darf (§ 1815 II Nr 1). Bei fortbestehenden Zweifeln muss der Standesbeamte das Amtsgericht zur Entscheidung anrufen (§ 49 II PStG). Teilt das Amtsgericht seine Zweifel nicht, hat es den Standesbeamten zur Vornahme der Eheschließung anzuweisen (§ 49 I PStG). Bei nur vorübergehender Geistesstörung liegt keine Geschäftsunfähigkeit vor (§ 104 Nr 2 2. Hs). Der Standesbeamte muss gleichwohl die Eheschließung ablehnen, weil sie gem § 1314 II Nr 1 2. Alt aufhebbar wäre.
Rn 8
Die Aufhebbarkeit entfällt, wenn der nicht mehr Geschäftsunfähige die Ehe bestätigt (§ 1315 I Nr 2).
Rn 9
Antragsberechtigt sind die Eheleute und die zuständige Verwaltungsbehörde (§ 1316). Für den zur Zeit des Aufhebungsverfahrens geschäftsunfähigen Ehegatten kann nur der gesetzliche Vertreter den Antrag stellen (§ 1316 II), der selbst kein eigenes Antragsrecht hat. Die Verwaltungsbehörde soll nur in Härtefällen von der Antragstellung absehen (§ 1316 Rn 4). Der Aufhebungsantrag ist nicht an eine Frist gebunden (Umkehrschluss aus § 1317 I 1).
Rn 10
[nicht besetzt]
III. Verstoß gegen Eheverbote (§§ 1306, 1307, 1311).
1. Doppelehe/Bigamie (§ 1306).
Rn 11
Die Doppelehe mit einem Dritten ist aufhebbar. Sonderregelungen gelten bei Wiederheirat nach unrichtiger Todeserklärung (§§ 1319, 1320). Eine aufhebbare Zweitehe liegt vor, wenn die Erstehe bei Eingehung der Zweitehe besteht unabhängig davon, ob sie später durch Tod, Scheidung oder Aufhebung beendet wird. Das wird auch angenommen, wenn die Erstehe bei Zustandekommen der Zweitehe zwar aufgelöst war, jedoch das Scheidungs- oder Aufhebungsurteil nachträglich (BGH FamRZ 76, 336) unwirksam geworden ist.
Rn 12
Wurde die Erstehe im Ausland aufgelöst, kommt es auf die Anerkennung der ausländischen Scheidung im Inland nach Art 7 § 1 FamRÄndG, 107 FamFG an (vgl Art 13 II Nr 3, Hs 2 Alt 3 EGBGB). Dabei wirkt die Anerkennung einer solchen Entscheidung auf den Zeitpunkt der Rechtskraft dieses Urteils zurück (BGH FamRZ 19, 1535). Wurde die Erstehe des Ausländers aber im Inland aufgelöst, ist allein diese Entscheidung maßgebend, auch wenn das Heimatrecht des Ausländers das deutsche Urt nicht anerkennen sollte (Art 13 II Nr 3, Hs 2 Alt 2 EGBGB).
Rn 13
Da die Eheaufhebung nur ›ex nunc‹ wirkt, vermag die Aufhebung an der für die Vergangenheit bestehenden Konkurrenz zur Erstehe nichts mehr zu ändern. Zwar entfällt die Antragsbefugnis nicht durch die Auflösung der früheren Ehe, allerdings hat der Ehegatte der Erstehe nach deren Auflösung ein objektives Interesse für seinen Aufhebungsantrag der bigamischen Ehe darzulegen (BGH FamRZ 02, 604).
R...