Rn 33
Eine Scheinehe liegt vor, wenn beide Eheleute nur formal geheiratet haben (Zweibr FamRZ 06, 1201), in Wirklichkeit aber eine eheliche Lebensgemeinschaft iSe Verantwortungsgemeinschaft (§ 1353 I 2 Hs 2) ablehnen. Hierbei handelt es sich nicht um einen beeinflussten Eheschließungswillen, sondern die Missbilligung für dessen Motiv. Nach dem Wortlaut ist die Regelung nicht auf eine Scheinehe, die aus ausländerrechtlichen Gründen bzw zur Verhinderung einer Abschiebung geschlossen wurde, sog Aufenthalts-Ehe (BVerwG FamRZ 05, 1671; Ddorf FamRZ 08, 277; LG Rostock FamRZ 03, 598) beschränkt, sondern erfasst auch eine Staatsangehörigkeits-Ehe, Namens-Ehe, Versorgungs-Ehe (BVerwG FamRZ 09, 1826; BSG FamRZ 09, 1667 [zu § 46 IIa SGB VI ]; LSG München NZFam 19, 414) oder eine rein steuerlich motivierte Ehe, wenn keine Verpflichtungen aus § 1353 übernommen werden sollen, obwohl nach der Entstehungsgeschichte die Anwendung hierauf fraglich erscheint (Grüneberg/Siede § 1314 Rz 14).
Rn 33a
Ob eine Scheinehe vorliegt, kann idR nur aus Indizien abgeleitet werden. Kennen sich die Ehegatten nicht persönlich (Naumbg FamRZ 02, 955) oder sind sie sich noch nicht begegnet oder sprechen sie keine gemeinsame Sprache oder besteht ein ganz erheblicher Altersunterschied, kann dies neben weiteren Umständen im Einzelfall für eine Scheinehe sprechen. Besteht hingegen bei einem Ehegatten der Wunsch nach einer Lebensgemeinschaft, handelt es sich nicht um eine ›Scheinehe‹ (Frankf v 24.8.23 – 20 W 107/22, Rz 17).
Rn 34
Verfahrenskostenhilfe für einen Aufhebungsantrag kann nicht wegen Mutwilligkeit verweigert werden, wenn die Schließung und Aufhebung der Ehe von vornherein von einem einheitlichen Willen umfasst war (BGH FamRZ 11, 872; Frankf FamRZ 06, 1128). Allerdings muss ein für die Eingehung der Ehe gezahltes Entgelt zur Bestreitung der Verfahrenskosten eingesetzt werden und rechtfertigt die Verweigerung wegen selbstverschuldeter Hilfsbedürftigkeit (BGH FamRZ 05, 1477; Braunschw FamRZ 17, 910).
Rn 35
Der Standesbeamte muss seine Mitwirkung an der Eheschließung verweigern, wenn aufgrund konkreter Umstände offenkundig eine Scheinehe geschlossen werden soll (§ 1310 I 2 Hs 2). Er muss den Sachverhalt vAw zu klären suchen und kann die Sache im Zweifelsfalle dem AG vorlegen (§ 49 II PStG;Jena FamRZ 00, 1365).
Rn 36
Die Aufhebung der Ehe ist ausgeschlossen, wenn die Ehegatten die Verantwortungsgemeinschaft aufnehmen (§ 1315 I Nr 5), die Ehe also wechselseitig bestätigen. Maßgebend ist der äußere Eindruck einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft, ohne dass es auf die tatsächliche Dauer des Zusammenlebens ankommt (Celle FamRZ 04, 949).
Rn 37
Antragsberechtigt ist jeder Ehegatte und die zuständige Verwaltungsbehörde (§ 1316 I Nr 5), die nur in Härtefällen von der Antragstellung absehen soll (§ 1316 III). Die Darlegungslast für den Aufhebungsgrund trifft den Beteiligten, der sich hierauf beruft (Kobl FamRZ 16, 1854). Die Partner einer Scheinehe können neben der Eheaufhebung hilfsw auch die Scheidung beantragen. Im Falle der Aufhebung können keine Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden (§ 1318 II Nr 1).