I. Wortlaut.
Rn 31
Bei einer durch Schriftzeichen oder Sprache verkörperten Erklärung ist von ihrem Wortlaut als dem objektiv erklärten Parteiwillen auszugehen (BGHZ 121, 16; 124, 44 f; 195, 126 Tz 18; BGH NJW 01, 144; 2535; NJW-RR 05, 689; 06, 1141; BAG NJW 11, 1531 Tz 21), doch verbietet § 133, auf die buchstäbliche Bedeutung abzustellen. Maßgebend ist grds der allg Sprachgebrauch (BGH NJW-RR 91, 1102 [BGH 29.05.1991 - XII ZR 119/90]; München NJW-RR 96, 239). Bei einer öffentlichen Ausschreibung kommt dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung vergleichsweise große Bedeutung zu (BGH NJW 12, 518 Tz 14). Einzelfälle: Zur Absichtserklärung, an einer Vaterschaftsfeststellung mitzuwirken (BGH NJW 07, 912 Tz 18). Das Wort Pfand auf einer Flasche beinhaltet die Erklärung, jedem beliebigen Dritten den angegebenen Betrag zu zahlen (BGH NJW 07, 2912 Tz 9), Ankündigung der vorbehaltslosen Auftragsausführung als Vertragsannahme (BGHZ 195, 126 Tz 19).
Rn 32
Werden Begriffe vom beteiligten Verkehrskreis in einem bestimmten Sinn verwendet, ist diese Bedeutung zugrunde zu legen (BGH NJW 01, 1345 [BGH 12.12.2000 - XI ZR 72/00]; NJW-RR 07, 1470 [BGH 12.06.2007 - VI ZR 110/06] Tz 11, Versicherer). Bei einem aus Fachleuten bestehenden Empfängerkreis ist von der fachspezifischen Bedeutung auszugehen (BGH NJW-RR 94, 1109). Juristische Termini sind grds iSd spezifischen Sprachgebrauchs auszulegen (LG Berlin NJW 05, 993 [LG Berlin 17.11.2004 - 28 O 59/04], Schuldanerkenntnis eines Rechtslehrers). Bei einer Verwendung durch Laien ist jedoch nicht mit einem fachgerechten Gebrauch (RGZ 89, 400), bei einer Verwendung ggü Laien nicht notwendig mit einem zutreffenden Verständnis zu rechnen (BGH NJW 92, 1447 [BGH 12.03.1992 - IX ZR 141/91], Bürgschaft auf erstes Anfordern; Frankf BeckRS 2016, 131980, erfüllungshalber). Ein besonderer Sprachgebrauch des Erklärenden ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen zu berücksichtigen, wenn ihn der Erklärungsempfänger kannte oder kennen musste (Grüneberg/Ellenberger § 133 Rz 14).
II. Zusammenhang.
Rn 33
Aus der Lehre der Gesetzesauslegung können für schriftliche Erklärungen die Grundsätze der systematischen Auslegung übernommen werden (BGHZ 101, 273; NJW-RR 07, 1470 Tz 9; MüKo/Busche § 133 Rz 7; aA Flume AT, 309). Welche Leistungen bei einem Bauvertrag von der Vergütungsabrede umfasst sind, ist durch Auslegung des gesamten Vertragswerks zu ermitteln, wozu bei einer öffentlichen Ausschreibung auch die VOB/B gehört (BGH NJW 12, 518 Tz 13f). Die von der Leistungsbeschreibung in einem Bauvertrag umfassten Leistungen sind bei Vereinbarung der VOB/B auch anhand der VOB/C zu ermitteln (BGH NJW 06, 3414 [BGH 27.07.2006 - VII ZR 202/04]). Ggü der Leistungsbeschreibung kann den Vorbemerkungen größeres Gewicht zukommen (BGH NJW 99, 2433 [BGH 11.03.1999 - VII ZR 179/98]).
III. Begleitumstände.
Rn 34
Im Anschluss an die Ermittlung des Wortsinns sind die außerhalb der Äußerung liegenden Umstände zu berücksichtigen, soweit sie auf den Sinngehalt der Erklärung schließen lassen (BGH NJW-RR 00, 1003 [BGH 19.01.2000 - VIII ZR 275/98]; BeckOK/Wendtland § 133 Rz 25). Selbst der klare und eindeutige Wortlaut einer Erklärung bildet keine Grenze für die Auslegung anhand der Gesamtumstände (BGH NJW 02, 1261 [BGH 19.12.2001 - XII ZR 281/99]). Für die Auslegung können nur solche Umstände herangezogen werden, die dem Empfänger bekannt oder erkennbar waren (BGH NJW 06, 3777 [BGH 05.10.2006 - III ZR 166/05] Tz 18; 10, 1592 Tz 17).
Rn 35
Zu den maßgebenden Umständen gehört in erster Linie die Entstehungsgeschichte des Rechtsgeschäfts, speziell die bisherigen Gepflogenheiten und die Durchführung früherer Geschäfte, sofern sie mit dem aktuellen Rechtsgeschäft im Zusammenhang stehen (BGH NJW-RR 03, 927 [BGH 29.01.2003 - VIII ZR 300/02]; Staud/Singer § 133 Rz 49), der Inhalt von Vorverhandlungen (BGH NJW 99, 3192), Entwürfen und Vorbesprechungen (BGH NJW 03, 2236), der vorausgegangene Schriftverkehr (BGHZ 109, 22), mündliche Erläuterungen (BGHZ 82, 222) oder eine vorherige formunwirksame Vereinbarung (BGH NJW 87, 2438).
Rn 36
Die Umstände müssen grds im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegen (BGH NJW 06, 139 [BGH 02.11.2005 - XII ZR 212/03] Tz 7; NJW-RR 07, 976 [BGH 14.02.2007 - IV ZR 150/05] Tz 10). Nachträgliches Verhalten der Parteien kann zwar nicht dazu führen, dass der Empfänger die Erklärung in einem anderen als dem zum Zeitpunkt des Zugangs erkennbaren Sinn verstehen musste. Spätere Vorgänge können aber Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen (BGH NJW-RR 07, 529 [BGH 07.12.2006 - VII ZR 166/05] Tz 18).
Rn 37
Bei konkludentem Verhalten (Rn 10) kann der Erklärungswert allein aus den Begleitumständen, den Grundsätzen von Treu und Glaube sowie der Verkehrssitte abgeleitet werden (AnwK/Looschelders Rz 32).
IV. Interessenlage.
Rn 38
Mit jedem Rechtsgeschäft werden bestimmte Zwecke und Interessen verfolgt, die iRd teleologischen Auslegung zu berücksichtigen sind. In der Rechtsprechungspraxis gewinnt diese interessengerechte ...