Rn 7
Das Verfassungsrecht des GG wirft mit seiner Einwirkung auf das Privatrecht zahlreiche Fragen auf. Die Koalitionsfreiheit aus Art 9 III GG begründet eine unmittelbare Drittwirkung. § 134 ist unanwendbar, weil Art 9 III 2 selbst die Nichtigkeit widersprechender Abreden anordnet. Eine unmittelbare Drittwirkung sehen die Art 38 I 2, 48 II GG vor (BGHZ 43, 387). Überholt ist die ältere Rspr des BAG (NJW 62, 1982; s.a. Otto JZ 98, 854f), die von einer unmittelbaren Drittwirkung anderer Grundrechte ausgegangen ist. Die Grundrechte wirken über die ausfüllungsbedürftigen Generalklauseln in das Privatrecht hinein (vgl nur BVerfG NJW 94, 36 [BVerfG 19.10.1993 - 1 BvR 567/89]; 01, 958 [BVerfG 06.02.2001 - 1 BvR 12/92]). Anstalten des öffentlichen Rechts, wie Sparkassen, sind unmittelbar an Grundrechte gebunden, weswegen die Kündigung des Kontos einer verfassungsfeindlichen, nicht verbotenen Partei (NPD) durch eine Sparkasse gegen das Willkürverbot verstößt und gem § 134 nichtig ist (BGH NJW 03, 1658f [BGH 11.03.2003 - XI ZR 403/01]). Die Schuldenbremse, Art 109 III 1, 115 II 1 GG, richtet sich an die staatlichen Akteure und beinhaltet kein Verbotsgesetz (aA Hauser Auswirkungen der Schuldenbremse im Privatrecht, S 161). Verletzt die in privatrechtlichen Formen agierende öffentliche Hand Grundrechte eines am Rechtsgeschäft beteiligten Grundrechtsträgers, ist das Rechtsgeschäft grds nichtig (BVerfG NJW 16, 3153 [BVerfG 19.07.2016 - 2 BvR 470/08] Tz 33).
Rn 8
Europäisches Recht kann Verbotsgesetze iSd § 134 enthalten (BVerwGE 70, 41, 44 f, 49 [BVerwG 23.08.1984 - BVerwG 3 C 42/82]). Soweit die Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Abreden aus Art 81 II EGV folgt, wird § 134 verdrängt. Gesetzliche Verbote können im Verbot mengenmäßiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung, Art 28, 29 EGV, gesehen werden (vgl EuGH NJW 04, 132). Verstöße gegen das EU-Beihilfenrecht sollen zur Nichtigkeit gem § 134 führen (BGH EuZW 03, 445 [BGH 04.04.2003 - V ZR 314/02]; NJW-RR 07, 1693 [BGH 05.07.2007 - IX ZR 221/05] Tz 20; Schmidt-Räntsch NJW 05, 107; aA Pütz NJW 04, 2200). EU-Richtlinien, die ausnahmsweise nach Ablauf der Umsetzungsfrist angewendet werden, können gesetzliche Verbote enthalten (MüKo/Armbrüster § 134 Rz 37). Ein Verstoß gegen § 27 I der VO über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge idF vom 3.2.11 (EG-Fahrzeuggenehmigungs-VO) führt nicht zur Nichtigkeit nach § 134 (Karlsr NJW-RR 22, 822 [OLG Hamm 15.02.2022 - 26 U 21/21]; Bambg BeckRS 21, 19821).
Rn 9
Völkerrechtliche Verbote, die gem Art 25, 59 GG in deutsches Recht transformiert sind, können Verbotsgesetze gem § 134 bilden. Soweit die völkerrechtlichen Normen die Rechtswirkungen regeln, gehen die Bestimmungen § 134 vor (BGHZ 55, 339, zu Art VIII Abschn 2 (b) des Abkommens von Bretton Woods). Die EMRK gilt im Rang eines Bundesgesetzes (BVerfG NJW 04, 3408 [BVerfG 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04]). Ist kollisionsrechtlich deutsches Sachrecht anzuwenden, kann ausländisches Recht kein Verbotsgesetz iSd § 134 begründen (BGHZ 59, 85; 69, 296).