I. Rechtsgeschäft.
Rn 3
§ 134 gilt für Rechtsgeschäfte aller Art. Dazu gehören einseitige Rechtsgeschäfte, wie Testamente und Kündigungen, Verträge, grds auch Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge, und andere mehrseitige Rechtsgeschäfte, etwa Beschlüsse (BeckOK/Wendtland § 134 Rz 3). Kein Rechtsgeschäft iSv § 134 bilden die einzelnen auf den Abschluss eines Vertrags gerichteten Willenserklärungen (Angebot und Annahme). Soweit die Erklärungen missbilligte Rechtsfolgen auslösen, ist eine entspr Anwendung von § 134möglich.
Rn 4
Auf öffentlich-rechtliche Verträge ist nach § 59 I VwVfG die Regelung des § 134 entspr anwendbar. Die Nichtigkeit soll aber nur eintreten, wenn eine zwingende Norm Inhalt und Erfolg des öffentlich-rechtlichen Vertrags verbietet und ihr Normzweck die Nichtigkeit im öffentlichen Interesse verlangt (BVerwGE 89, 20 [BVerwG 03.09.1991 - BVerwG 1 C 48/88]; BVerwG DVBl 90, 438 [BVerwG 01.12.1989 - BVerwG 8 C 44.88]; AnwK/Looschelders Rz 8). Unanwendbar ist § 134 bei Verwaltungsakten (Soergel/Hefermehl Rz 6).
II. Gesetzliches Verbot.
1. Gesetz.
a) Normcharakter.
Rn 5
Gesetz iSd § 134 ist jede Rechtsnorm, Art 2 EGBGB. Das Verbot kann sich aus einem formellen Gesetz des Bundes oder eines Landes ergeben (BGH NJW 86, 2361; WM 03, 791). Erfasst werden auch Rechtsverordnungen und Satzungen öffentlich-rechtlicher Institutionen, die durch höherrangiges Recht legitimiert sind (Taupitz JZ 94, 222), nicht aber Vorschriften über einen Haushaltsplan (BGHZ 201, 32 Tz 10). Dazu gehören die Satzungen der Gemeinden und Berufsordnungen, etwa der Ärztekammern (BGH NJW 86, 2361 [BGH 22.01.1986 - VIII ZR 10/85]; Erman/Arnold Rz 8). Keine Gesetze sind Satzungen privatrechtlicher Institutionen, Spielordnungen von Sportverbänden (BGH NJW 00, 1028 [BGH 27.09.1999 - II ZR 377/98]), Standesrichtlinien (BVerfG NJW 88, 192), Handelsbräuche und Verkehrssitten (BeckOK/Wendtland § 134 Rz 7f). Gesetzliche Vorschriften iSv § 134 enthalten die normativen Regelungen in Tarifverträgen (BGH NJW 00, 1187 [BGH 14.12.1999 - X ZR 34/98]; BAG NJW 99, 2542 [BAG 10.02.1999 - 2 AZR 422/98]) und Betriebsvereinbarungen (LAG Saarbrücken NJW 66, 2137 [LAG Saarland 02.02.1966 - 1 Sa 60/65]; aA MüKo/Armbrüster § 134 Rz 31; s.a. AnwK/Looschelders Rz 25); Gewohnheitsrecht nur, wenn es unmissverständlich ein bestimmtes Rechtsgeschäft versagt (BGH NJW 07, 2106 [BGH 27.02.2007 - XI ZR 195/05] Tz 24).
Rn 6
Allg Rechtsgrundsätze können ein Verbotsgesetz iSv § 134 enthalten. Dies wird für den Verstoß einer Schiedsklausel gegen das Gebot überparteilicher Rechtspflege (BGHZ 51, 262; 54, 400) und den Grundsatz, dass die öffentliche Verwaltung nichts verschenken darf (BGHZ 47, 40), angenommen (Bork AT Rz 1091; aA Staud/Sack/Seibl § 134 Rz 22). Erforderlich ist eine hinreichende Konkretisierung. Fehlt es daran, kann die Nichtigkeit aus § 138 resultieren.
b) Besondere Normen.
Rn 7
Das Verfassungsrecht des GG wirft mit seiner Einwirkung auf das Privatrecht zahlreiche Fragen auf. Die Koalitionsfreiheit aus Art 9 III GG begründet eine unmittelbare Drittwirkung. § 134 ist unanwendbar, weil Art 9 III 2 selbst die Nichtigkeit widersprechender Abreden anordnet. Eine unmittelbare Drittwirkung sehen die Art 38 I 2, 48 II GG vor (BGHZ 43, 387). Überholt ist die ältere Rspr des BAG (NJW 62, 1982; s.a. Otto JZ 98, 854f), die von einer unmittelbaren Drittwirkung anderer Grundrechte ausgegangen ist. Die Grundrechte wirken über die ausfüllungsbedürftigen Generalklauseln in das Privatrecht hinein (vgl nur BVerfG NJW 94, 36 [BVerfG 19.10.1993 - 1 BvR 567/89]; 01, 958 [BVerfG 06.02.2001 - 1 BvR 12/92]). Anstalten des öffentlichen Rechts, wie Sparkassen, sind unmittelbar an Grundrechte gebunden, weswegen die Kündigung des Kontos einer verfassungsfeindlichen, nicht verbotenen Partei (NPD) durch eine Sparkasse gegen das Willkürverbot verstößt und gem § 134 nichtig ist (BGH NJW 03, 1658f [BGH 11.03.2003 - XI ZR 403/01]). Die Schuldenbremse, Art 109 III 1, 115 II 1 GG, richtet sich an die staatlichen Akteure und beinhaltet kein Verbotsgesetz (aA Hauser Auswirkungen der Schuldenbremse im Privatrecht, S 161). Verletzt die in privatrechtlichen Formen agierende öffentliche Hand Grundrechte eines am Rechtsgeschäft beteiligten Grundrechtsträgers, ist das Rechtsgeschäft grds nichtig (BVerfG NJW 16, 3153 [BVerfG 19.07.2016 - 2 BvR 470/08] Tz 33).
Rn 8
Europäisches Recht kann Verbotsgesetze iSd § 134 enthalten (BVerwGE 70, 41, 44 f, 49 [BVerwG 23.08.1984 - BVerwG 3 C 42/82]). Soweit die Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Abreden aus Art 81 II EGV folgt, wird § 134 verdrängt. Gesetzliche Verbote können im Verbot mengenmäßiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung, Art 28, 29 EGV, gesehen werden (vgl EuGH NJW 04, 132). Verstöße gegen das EU-Beihilfenrecht sollen zur Nichtigkeit gem § 134 führen (BGH EuZW 03, 445 [BGH 04.04.2003 - V ZR 314/02]; NJW-RR 07, 1693 [BGH 05.07.2007 - IX ZR 221/05] Tz 20; Schmidt-Räntsch NJW 05, 107; aA Pütz NJW 04, 2200). EU-Richtlinien, die ausnahmsweise nach Ablauf der Umsetzungsfrist angewendet werden, können gesetzliche Verbote ent...