I. Normzweckvorbehalt.
Rn 16
Ein gesetzwidriges Rechtsgeschäft ist nach § 134 nichtig, falls sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Über die Rechtsfolge entscheidet damit in erster Linie der Verbotszweck. Sinn und Zweck des Gesetzes müssen eine Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts verlangen und dürfen sich nicht mit Wirkungen begnügen, bei denen die Gültigkeit des Geschäfts unberührt bleibt (BGHZ 71, 361; 85, 43; 93, 267; BGH NJW 92, 2558).
Rn 17
In erster Linie greift § 134 ein, wenn das Rechtsgeschäft einen verbotenen Inhalt besitzt (BGHZ 110, 175) oder auf einen verbotswidrigen Erfolg gerichtet ist (BGHZ 37, 262; 139, 391 f; 146, 258; BGH NJW 74, 1377). § 134 kann auch dann anwendbar sein, wenn die Art und Weise der Vornahme eines Rechtsgeschäfts gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Die Nichtigkeitsfolge tritt jedoch nicht schon ein, wenn ein Rechtsgeschäft mit gesetzeswidrigen Mitteln abgeschlossen wurde (BGHZ 110, 175; 141, 369, Wettbewerbswidrigkeit). Das Verbotsgesetz darf sich nicht nur gegen die Art und Weise des Vertragsschlusses, sondern muss sich gerade gegen die Vornahme des Rechtsgeschäfts richten (Staud/Sack/Seibl § 134 Rz 8). Ein unter Verstoß gegen § 56 I Nr 6 GewO zustande gekommener entgeltlicher Darlehensvermittlungsvertrag ist daher nichtig (BGH NJW 99, 1637 [BGH 02.02.1999 - XI ZR 74/98]; Schiemann Eckpfeiler des Zivilrechts, D 167; Rn 43). Dagegen ist der als Haustürgeschäft gem § 312 aF geschlossene Darlehensvertrag wirksam, wenn dem Darlehensnehmer ein Widerrufsrecht zusteht (BGH NJW 96, 928 [BGH 16.01.1996 - XI ZR 116/95]; 3414 [BGH 17.09.1996 - XI ZR 164/94]). Ein während der gesetzlichen Ladenschlusszeiten geschlossener Kaufvertrag wird jedenfalls durch Erfüllung wirksam (RGZ 60, 276; Medicus/Petersen AT Rz 648 ff).
Rn 18
Nach Wortlaut, Gesetzgebungsgeschichte und Normzweck enthält § 134 eine Auslegungsregel. Lässt sich die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht mit hinreichender Sicherheit aus dem Verbotsgesetz begründen, ist von seiner (Gesamt)Nichtigkeit (Rn 26) auszugehen (BGHZ 45, 326; BGH NJW 74, 1377; BaRoth/Wendtland Rz 2; Bork AT Rz 1089 f, 1111; aA Jauernig/Mansel § 134 Rz 8; Flume 341). Denjenigen trifft die Argumentationslast, der sich auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts trotz eines gesetzlichen Verbots beruft (Staud/Sack/Seibl § 134 Rz 58). In der Rspr zeichnet sich eine Akzentverschiebung ab, denn es ist wiederholt formuliert worden, dass sich der Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes auch gegen die privatrechtliche Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts wenden muss (BGHZ 88, 242; 115, 125; 118, 144).
II. Auslegungskriterien.
Rn 19
Eine Reihe typischer Interessenbewertungen besitzen für die Rechtsanwendung erhebliches Gewicht, ohne dass ihnen generell eine indizielle Wirkung beizumessen ist (Staud/Sack/Seibl § 134 Rz 75; Bork AT Rz 1116; aA AnwK/Looschelders Rz 59).
1. Ein- und beidseitiges Verbot.
Rn 20
Richtet sich ein gesetzliches Verbot gegen beide Vertragsparteien, ist ein dagegen verstoßendes Rechtsgeschäft nach stRspr im Allg nichtig (BGHZ 37, 262; 115, 125; 118, 145; BGH NJW 00, 1187). Insb gibt eine für alle Beteiligten bestehende Straf- oder Bußgeldanordnung einen gewichtigen Hinweis, dass ein verbotswidriges Rechtsgeschäft unwirksam sein soll (BGHZ 118, 145; BGH NJW 92, 2559). Es handelt sich aber nur um eine generelle Regel, die den Rückgriff auf Sinn und Zweck der Verbotsnorm nicht entbehrlich macht (BGHZ 71, 360 f; 78, 265). Verstößt nur eine Partei gegen ein beidseitiges Verbot, kann es zum Schutz der rechtstreu handelnden Seite erforderlich sein, keine Nichtigkeit eintreten zu lassen, so etwa bei der Schwarzarbeit (BGH NJW 84, 1176; NJW 85, 2404; NJW-RR 02, 557; insoweit nicht durch BGHZ 198, 141 Tz 16 f, berührt; Rn 58).
Rn 21
Stellt das Verbotsgesetz eine beidseitige Ordnungsvorschrift auf, ist grds keine Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erforderlich (BGHZ 88, 243; 93, 267; 108, 368). Gewerbe- und gesundheitsrechtlichen Vorschriften, die sich nur gegen die Art und Weise des Geschäftsabschlusses richten, wird meist eine bloße Ordnungsfunktion beigemessen (BGHZ 37, 365; 53, 157; 78, 272; BGH NJW 68, 2286; Grüneberg/Ellenberger § 134 Rz 8). Aus der gewerberechtlichen Natur kann aber nicht allg auf die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts geschlossen werden, denn es bleibt in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes die Nichtigkeit erfordern (BGHZ 93, 267; BGH NJW 83, 2873; MüKo/Armbrüster § 134 Rz 96; aA Soergel/Hefermehl Rz 20).
Rn 22
Wendet sich das Verbot nur gegen einen Geschäftspartner, ist das Rechtsgeschäft nach Ansicht der Judikatur idR wirksam (RGZ 60, 276 f; BGHZ 46, 26; 71, 360; BGH NJW 92, 2559; 00, 1187). Im Einzelfall kann die Nichtigkeit aus der Verletzung einseitiger Verbote folgen, falls der Zweck des Gesetzes nicht anders zu erreichen ist und die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung nicht hingenommen werden kann (BGHZ 46, 26; 139, 392; 146, 258). Der Verstoß des Rechtsberaters gegen das RBerG genügt, um die Nichtigkeit des Vertrags zu begründen (BGHZ 37, 262). Nichtig ist auch die nach § 14 He...