Gesetzestext
Die Ehegatten haben bei der Erfüllung der sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen einander nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen.
A. Einleitung.
Rn 1
Die Vorschrift dient der Erhaltung des Rechtsfriedens in der ehelichen Lebensgemeinschaft, die typischerweise durch engen räumlichen und persönlichen Kontakt und daraus folgend gegenseitige Einflussnahme auf die Vermögensinteressen der Ehepartner gekennzeichnet ist. Der strenge Haftungsmaßstab des § 276 würde das Zusammenleben über Gebühr belasten. Hinzu kommt, dass jeder Ehegatte den anderen mit seinen persönlichen Eigenschaften gewählt hat (Staud/Voppel Rz 5). Die Norm ist letztlich Ausdruck der in § 1353 I 2 normierten Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Vergleichbare Haftungsbeschränkungen sind in den §§ 690, 708, 1664 und 2131 sowie in § 4 LPartG enthalten.
B. Anwendungsbereich.
I. Persönlich.
Rn 2
Die Norm regelt das Verhältnis zwischen Ehegatten. Jedenfalls nach Scheidung der Ehe ist sie deshalb nicht mehr anwendbar. Wegen der Haftung nichtehelich Zusammenlebender vgl vor § 1297 Rn 19) Sieht man den maßgeblichen Grund für die Haftungsbeschränkung in dem engen Zusammenleben in der ehelichen Lebensgemeinschaft, kann die Norm auch für die Zeit dauerhafter Trennung keine Anwendung finden (ebenso Staud/Voppel Rz 14).
II. Sachlich.
Rn 3
Die Haftungsbeschränkung bezieht sich nur auf die Erfüllung der sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen, zu denen die typischen ehelichen Pflichten in Bezug auf den Unterhalt, den ehelichen Beistand (§ 1353 I 2) ggf einschl einer daraus ableitbaren Pflicht zur Mitarbeit, die Haushaltsführung (§ 1356) und Geschäfte zur Bedarfsdeckung (§ 1357) sowie die Vermögensverwaltung iRd Gütergemeinschaft und konkurrierende deliktische Ansprüche (Staud/Voppel Rz 15 mwN) gehören. Sie gilt nicht bei gemeinsamer Ausübung von Freizeitsport, jedenfalls dann nicht, wenn dieser eine dem Straßenverkehr vergleichbare Gefährlichkeit aufweist (BGH FamRZ 09, 1048 bei Unfall beim Wasserski).
Rn 4
Die Regelung gilt nicht im Bereich rechtsgeschäftlicher Absprachen, die die Ehegatten wie Dritte treffen, zB Pacht- oder Darlehensverträge, Arbeits- und Gesellschaftsverträge (Staud/Voppel Rz 16). Bei Gefälligkeitsverträgen (Auftrag) wird eine (stillschweigend vereinbarte) Haftungsbegrenzung anzunehmen sein.
Rn 5
Die Regelung gilt ferner nicht für den Bereich des Verkehrsunfallrechts (BGHZ 53, 352, 355; 61, 101, 105; 63, 51, 57). Denn der schädigende Ehegatte kann sich im heutigen Straßenverkehr nicht darauf berufen, sich ständig verkehrswidrig zu verhalten. Auf diese Weise wird die Möglichkeit eröffnet, dass nach Verkehrsunfällen die Haftpflichtversicherung des schädigenden Ehegatten in Anspruch genommen werden kann (dazu: MüKo/Roth Rz 18; Staud/Voppel Rz 18; Soergel/Lange Rz 3; jeweils mwN). Auch ein Amtshaftungsanspruch wird dadurch nicht gefährdet, weil das Verweisungsprivileg des § 839 I 2 nicht mehr für durch Amtsträger verursachte Verkehrsunfälle gilt (BGHZ 68, 217).
Rn 6
Der schädigende Ehegatte wird durch diese Rspr nicht unangemessen benachteiligt, weil ein Rückgriff des Versicherers gegen ihn gem § 86 III VVG ausscheidet, der auf andere Fälle der Legalzession (§§ 116 SGB X, 87a BBG, 6 EntgeltfortzG) entspr anwendbar ist (MüKo/Roth Rz 21; Staud/Voppel Rz 26). Sofern kein Versicherungsschutz besteht, ist der schädigende Ehegatte durch die Stillhaltepflicht des Geschädigten geschützt (BGH FamRZ 88, 476).
C. Regelungsinhalt.
I. Haftungserleichterung.
Rn 7
Die Norm bildet keinen selbstständigen Haftungsgrund, sondern modifiziert § 276 II iSe Haftungserleichterung. Eine Haftungsverschärfung tritt auch dann nicht ein, wenn der Ehegatte in eigenen Angelegenheiten üblicherweise besonders sorgfältig verfährt. Die Grenze nach unten bildet die grobe Fahrlässigkeit (§ 277).
II. Haftungsmaßstab und Haftungsvereinbarungen.
Rn 8
Die Norm stellt nur auf die tatsächlich angewandte Sorgfalt ab, nicht auf ein dem Ehegatten bei gehöriger Anstrengung mögliches Verhalten, wobei § 277 den notwendigen Schutz vor zu großer Nachlässigkeit bietet.
Rn 9
Die Regelung kann unter Beachtung des § 276 III durch Vereinbarungen verschärft oder noch weiter gemildert werden (MüKo/Roth Rz 13; Staud/Voppel Rz 11). Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1359 sind auch Haftungsausschlüsse bis zur Vorsatzgrenze denkbar, jedoch etwa bei gemeinsamen PKW-Fahrten und bestehendem Versicherungsschutz nicht ohne weiteres anzunehmen (Soergel/Lange Rz 8).
D. Beweislast.
Rn 10
Während der Geschädigte zunächst den Nachweis der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu beweisen hat, obliegt es dem Schädiger, dann nachzuweisen, dass er nicht anders gehandelt hat als üblicherweise in eigenen Angelegenheiten.