I. Der Ehegatte ist Erbe oder Vermächtnisnehmer.
1. Ehegatte als Erbe.
Rn 8
I findet nur Anwendung, wenn der Ehegatte Erbe oder Vermächtnisnehmer des Verstorbenen ist (BGHZ 37, 58), da der gesetzliche Erbteil erhöht wird. Dasselbe gilt, wenn er Vor- (BGH FamRZ 65, 604) oder Nacherbe ist. Hinsichtlich der Anwendung der Norm ist dem Gericht kein Ermessen eingeräumt, so dass die Gründe für die Eheschließung ebenso unbedeutend sind wie die Ehedauer (Bambg OLGR 99, 265).
2. Ehegatte als Vermächtnisnehmer.
Rn 9
Aus II folgt, dass I auch dann anzuwenden ist, wenn dem überlebenden Ehegatten ein Vermächtnis zugewandt wurde, das jedoch einen Mindestwert erreichen muss. Hat es praktisch nur einen Erinnerungswert, liegt eine Enterbung vor, durch die der Weg für die güterrechtliche Regelung frei ist (Grüneberg/Brudermüller Rz 2).
3. Ehegatte als Pflichtteilsberechtigter.
Rn 10
Ist dem Ehegatten der Pflichtteil zugewandt worden, ist nach der Auslegungsregel des § 2304 von einem Vermächtnis auszugehen. Ob ein Fall der Enterbung vorliegt, richtet sich dann danach, ob dem überlebenden Ehegatten der ›kleine‹ oder ›große‹ Pflichtteil zugedacht war. Die Zuwendung des ›kleinen‹ Pflichtteils steht idR einer Enterbung gleich (Grüneberg/Brudermüller Rz 2), so dass der Weg für die güterrechtliche Lösung frei ist. Der kleine Pflichtteil bemisst sich gem § 2303 I 2 auf die Hälfte des sich nach § 1931 errechnenden Erbteils ohne Berücksichtigung des Aufschlages nach I.
Rn 11
Der ›große‹ Pflichtteil besteht aus der Hälfte des sich nach § 1931 errechnenden gesetzlichen Erbteils unter Einbeziehung des Aufschlages nach I. Da der Ehegatte neben Verwandten der ersten Ordnung (Kinder des Verstorbenen, § 1924) zu 1/4 und neben solchen der zweiten Ordnung (Eltern des Verstorbenen, § 1925) zu 1/2 erbberechtigt ist, steht ihm unter Einbeziehung des Aufschlages nach I neben Verwandten der ersten Ordnung insgesamt ½, neben solchen der zweiten Ordnung ¾ des Nachlasses zu, so dass der große Pflichtteil sich neben Verwandten der ersten Ordnung auf ¼ und neben Verwandten der zweiten Ordnung auf ⅜ errechnet, während der kleine Pflichtteil 1/8 bzw ¼ beträgt.
II. Rechtsfolge.
Rn 12
Findet I Anwendung, wird der gesetzliche Erbteil pauschal um ¼ erhöht; eine konkrete Berechnung des Zugewinns findet nicht statt. Da die Vorschriften über den Zugewinnausgleich nicht angewandt werden, bleiben auch dem Ehegatten zu Lebzeiten gemachte Zuwendungen (§ 1380) unberücksichtigt.
Rn 13
Mit dem Tod des Verstorbenen geht dessen Nachlass, obwohl der Anspruch auf verschiedenen Grundlagen beruht (§§ 1931, 1371 I), in Höhe des gesetzlichen Erbteils einschl des Erhöhungsbetrages nach I auf den Ehegatten über, der auch dinglich berechtigt ist. Eine Teilausschlagung kommt nicht in Betracht (Staud/Thiele Rz 10). Nach § 5 I 1 ErbStG ist das zusätzliche Viertel aber nur in Höhe des Betrages erbschaftssteuerfrei, der dem überlebenden Ehegatten im Fall güterrechtlicher Abwicklung zufiele (zur Berechnung: BFH NJW 94, 150 [BFH 10.03.1993 - II R 87/91]).