a) Gesellschafts- und Arbeitsverträge.
Rn 43
Ausnahmen von der anfänglichen Nichtigkeit bestehen für die in Vollzug gesetzten Gesellschafts- und Arbeitsverträge, deren Unwirksamkeit nur mit Wirkung ex nunc geltend gemacht werden darf (BAG AP 18 zu § 611, faktisches Arbeitsverhältnis, Stripteasetänzerin; AnwK/Looschelders Rz 133). Die bisher für die öffentliche Vorführung des Geschlechtsverkehrs formulierte Rückausnahme (BAG NJW 76, 1959 [BAG 01.04.1976 - 4 AZR 96/75]) hat vor den Wertungen von § 1 ProstG keinen Bestand.
b) Geltungserhaltende Reduktion, Umdeutung.
Rn 44
Eine geltungserhaltende Reduktion des zu missbilligenden Geschäfts auf ein erträgliches Maß (BGHZ 107, 357; NJW 01, 817, aA Staud/Sack/Fischinger § 138 Rz 158 ff) oder eine Umdeutung (BGHZ 68, 207) sind grds ausgeschlossen, denn einem sittenwidrig Handelnden darf nicht das Risiko der Nichtigkeit genommen werden. Ausnw kann dies bei einer überlangen Bindungsdauer eines Dauerschuldverhältnisses anders zu bewerten sein (BGH NJW 91, 699, 700 [BGH 29.10.1990 - II ZR 241/89]).
c) Teilnichtigkeit.
Rn 45
Erstreckt sich die Nichtigkeit bei einem teilbaren Rechtsgeschäft auf einen abtrennbaren Teil, kommt eine Teilnichtigkeit nach § 139 in Betracht (BGHZ 52, 25; NJW 72, 1459). Allg wird eine Teilbarkeit angenommen, wenn der nach Entfernung (›Herausstreichen‹) des nichtigen Teils verbleibende Rest als selbstständiges Rechtsgeschäft möglich ist (BGH NJW 62, 913 [BGH 09.02.1962 - IV ZR 90/61]; 96, 774 [BGH 11.10.1995 - VIII ZR 25/94]; 01, 817 [BGH 14.11.2000 - XI ZR 248/99]; § 139 Rn 15). Eine Teilnichtigkeit kann aus der Unwirksamkeit einer Vertragsklausel oder Nebenabrede resultieren (BGH NJW 93, 1588f [BGH 07.01.1993 - IX ZR 199/91]). Liegen einem einheitlichen abstrakten Schuldanerkenntnis trennbare Einzelverträge als Kausalgeschäfte zugrunde, wird eine Teilbarkeit angenommen (BGH NJW 87, 2015 [BGH 15.01.1987 - III ZR 153/85]). Um eine gewisse Flexibilität ggü den strikten Folgen der Sittenwidrigkeit zu erreichen, tendiert die Rspr zu einer großzügigen Interpretation der Teilbarkeit. § 139 soll bereits dann anwendbar sein, wenn sich der Vertragsinhalt eindeutig in einen nichtigen und einen von der Nichtigkeit nicht berührten Teil abgrenzen lässt und die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit eine andere auf das zulässige Maß beschränkte Regelung vereinbart hätten (BGH NJW 01, 817 [BGH 14.11.2000 - XI ZR 248/99]).
Rn 46
Die Rspr hat eine alleinige Erbeinsetzung als teilw nichtig angesehen (BGHZ 52, 24f). Ein gesellschaftsvertragliches Ausschließungsrecht nach freiem Ermessen wurde als Ausschließungsrecht aus wichtigem Grundaufrechterhalten (BGHZ 105, 220; 107, 357). Eine den Bürgen krass überfordernde Bürgschaft soll insoweit wirksam sein, wie sich die Mithaftung auf gemeinschaftliche Altschulden von Bürgen und Ehepartner bezieht (BGH NJW 01, 817 [BGH 14.11.2000 - XI ZR 248/99]). Überlange Laufzeiten eines Bierbezugsvertrags (BGH NJW 72, 1459 [BGH 14.06.1972 - VIII ZR 14/71]; NJW-RR 90, 816 [BGH 21.03.1990 - VIII ZR 49/89]) oder eines gesellschaftsrechtlichen Wettbewerbsverbots (BGH NJW 91, 700 [BGH 25.10.1990 - IX ZR 13/90]) können auf das zulässige Maß begrenzt werden. Dagegen ist die Rückführung einer in AGB geregelten überlangen Tankstellen-Alleinbezugsverpflichtung nicht möglich (BGH NJW 00, 1113 [BGH 03.11.1999 - VIII ZR 269/98]).
Rn 47
Ein sittenwidrig überhöhtes Entgelt darf nicht auf ein angemessenes Maß zurückgeführt werden (BGHZ 44, 162; 68, 207). Es ist nicht Aufgabe der Rspr, dem sittenwidrig Handelnden das Risiko abzunehmen und das Gegenleistungsverhältnis auszubalancieren. Eine nichtige Einzelpreisvereinbarung kann durch eine zulässige Abrede ersetzt werden, wenn sie in eine Gesamtpreisvereinbarung einfließt (BGH NJW 09, 835 [BGH 18.12.2008 - VII ZR 201/06] Tz 30).
d) Gestaltungsrechte.
Rn 48
Ein nichtiges Rechtsgeschäft ist anfechtbar (BGH JZ 55, 500) und nach § 312d aF = § 312g widerruflich (BGH NJW 10, 610 [BGH 25.11.2009 - VIII ZR 318/08] Tz 16).