a) Summenwirkung.
Rn 27
Im Einzelfall kann ein sittenwidriges Element so stark ausgeprägt sein, dass es die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts zu begründen vermag (MüKo/Armbrüster § 138 Rz 28; vgl BGH NJW 09, 835 Tz 9, sittenwidriger Einheitspreis). Typischerweise ist aber die Sittenwidrigkeit erst aus einem Zusammenwirken mehrerer Umstände zu begründen. Selbst wenn die einzelnen Umstände für sich allein noch nicht anstößig sind, können sie in ihrer summierten Wirkung das Gesamturteil der Sittenwidrigkeit begründen (BGHZ 51, 56). Dieses Zusammenspiel beweglicher Elemente (BGH WM12, 458 Tz 20), früher bildhaft als Sandhaufentheorem bezeichnet (Stuttg NJW 79, 2412), ist zwar für den enger formulierten Wuchertatbestand auf Ablehnung gestoßen (BGHZ 80, 159; s.a. Rn 51). Für die Generalklausel in § 138 I kann aber auf sie zurückgegriffen werden (Staud/Sack/Fischinger § 138 Rz 117; AnwK/Looschelders Rz 100).
b) Faktoren – Wucherähnliches Geschäft.
Rn 28
Ergibt sich die Sittenwidrigkeit nicht etwa schon aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts, ist auf eine Gesamtwürdigung von Inhalt, Motiv und Zweck sowie der äußeren Umstände bei der Vornahme abzustellen (BGHZ 107, 97; 125, 228; 141, 361; NJW 90, 704; 01, 1127; WM 12, 458 Tz 20; 3.12.13, XI ZR 295/12 Rz 23; BAG NZA 06, 1354 Tz 16; NJW 11, 630 Tz 30). Als wucherähnliches Geschäft soll ein Vertrag nach § 138 I nichtig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht – auch bei einzelner Leistungsposition (BGH NJW 09, 835 [BGH 18.12.2008 - VII ZR 201/06] Tz 14) und von im Vertrag nicht vorgesehenen Leistungen (BGH NJW 13, 1950 [BGH 07.03.2013 - VII ZR 68/10] Rz 23) – und grds ein weiterer Umstand hinzukommt, der das Rechtsgeschäft bei Zusammenfassung der objektiven und subjektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt (BGHZ 146, 298, 301; NJW 07, 2841 Tz 16; 12, 2099 Tz 13; 14, 1652 Tz 10; 22, 2614 Rz 23). Das ist insb der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist, weil er etwa die wirtschaftlich schwächere Position des anderen bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen hat (BGHZ 146, 298, 301; 22, 2614 Rz 26). Bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist ein Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung möglich (BGHZ 160, 14; NJW 10, 363 Tz 6; 22, 2614 Rz 26), wodurch die Anforderungen an den Vortrag reduziert werden (BGH NJW 14, 1652 Tz 6), es sei denn, diese tatsächliche Vermutung wurde im Einzelfall erschüttert (BGHZ 146, 305; Rn 64; NJW 10, 363 [BGH 09.10.2009 - V ZR 178/08] Tz 6). Für die Feststellung eines Missverhältnisses kommt es auf die objektiven Werte der Leistungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Dies gilt auch im Urheberrecht (BGH NJW 22, 2614 Rz 27). Die gegenseitigen Leistungen sind nach den vertraglichen Vereinbarungen zu bemessen und nicht danach, was die Parteien sich nachfolgend einander gewährt haben (BGH NJW-RR 11, 880 [BGH 25.02.2011 - V ZR 208/09] Rz 15). Ein geeignetes Mittel für die Bestimmung des objektiven Werts ist grds der Marktvergleich (BGHZ 154, 154, 159; BGH NJW 22, 2614 Rz 27). Bei Grundstücksgeschäften kann von einem besonders groben Missverhältnis bereits dann ausgegangen werden, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch wie der Wert der Gegenleistung ist (BGHZ 92, 899; NJW 12, 1570 Tz 8), wobei die Nebenkosten nicht zu berücksichtigen sind (BGHZ 212, 286 Rz 19; BGH NJW 19, 497), mit einem Grenzwert von 90 % (BGH NJW 14, 1652 Tz 8; zur Wertermittlungsmethode BGHZ 212, 286 Tz 31; NJW 19, 497 Tz 19). Bei der Prüfung sind die von dem Verkäufer übernommenen, üblicherweise von dem Käufer zu tragenden Erwerbsnebenkosten von dessen Leistung abzuziehen (BGH NJW-RR 16, 692 Tz 11). Dies kann auch eine Aufklärungspflicht der finanzierenden Bank begründen (BGHZ 212, 286 Tz 19; NJW 19, 497; unten Rn 50). Ein ähnliches Verhältnis gilt bei Kaufverträgen über vergleichbar wertvolle bewegliche Sachen sowie im Arbeitsverhältnis (BAG NZA 12, 974 [BAG 16.05.2012 - 5 AZR 268/11] Tz 36) und bei werkvertraglichen Pauschalpreisvereinbarungen (Celle NJW 20, 3663 [OLG Celle 13.05.2020 - 14 U 71/19]). Dies kann auch bei einem Immobilienbeschaffungsvertrag mit einer erfolgsunabhängigen monatlichen Vergütung von erheblicher Größe vorliegen (BGH NJW 12, 2099 [BGH 08.03.2012 - IX ZR 51/11] Tz 13 ff). Die Umstände, welche die Vermutung erschüttern, muss die vom Missverhältnis begünstigte Seite darlegen (BGH NJW 12, 1570 Tz 10). Im Rahmen einer Internetauktion kann dagegen nicht aus einem Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung auf eine verwerfliche Gesinnung geschlossen werden (BGH NJW 12, 2723 [BGH 28.03.2012 - VIII ZR 244/10] Tz 18). Bei außerordentlich überhöhter Vergütung kann die Vermutung nur durch Angaben zur Preisbildung widerlegt werden (BGH NZBau 10, 367 [BGH 25.03.2010 - VII ZR 160/09]). Für einen Künstlermanagement...