1. Rechtliche Maßstäbe.
Rn 17
Wesentliche Bedeutung kommt der va in den Grundrechten niedergelegten Wertordnung des Grundgesetzes zu (BGHZ 106, 338; NJW 86, 2944; 99, 568). Hierzu gehören insb die Art 1 I, 2 (BGHZ 142, 314), 3 III, 4 I, 5, 6 (vgl BVerfG NJW 01, 958), 9, 12 (BGH NJW 86, 2944; 00, 1028), 14 I (BGH NJW 99, 568 [BGH 02.12.1998 - IV ZB 19/97]), 20 I sowie 28 I GG (BVerfG NJW 94, 36f [BVerfG 19.10.1993 - 1 BvR 567/89]). Zu berücksichtigen sein kann die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte.
Rn 18
Bei der Ausformung der guten Sitten besitzen auch der Menschenrechtskatalog der EMRK sowie die Grundfreiheiten des EGV ein gewisses Gewicht (BGHZ 142, 314). Einen deutlichen Niederschlag finden auch die in den Antidiskriminierungsrichtlinien der EU enthaltenen Wertungen.
Rn 19
Einfachgesetzliche Wertentscheidungen sind zu berücksichtigen, wenn sie einen Ausfluss gesetzlicher Leitideen bilden. Dabei muss es sich um wesentliche Grundsätze und grundlegende Maßstäbe der Rechtsordnung handeln (BGHZ 80, 158; 106, 338).
Rn 20
Mit dem Begriff des ordre public ist der Zuweisungsgehalt des § 138 nicht identisch. Der ordre public dient der Aufgabe, die inländische Rechtsordnung ggü der Souveränität ausländischer Staaten abzugrenzen (Neuner AT § 46 Rz 12).
2. Außerrechtliche Maßstäbe.
Rn 21
Ausgehend vom Vorrang rechtlicher Grundentscheidungen (Rn 17), ist sozialethischen Prinzipien eine gewisse Ergänzungsfunktion beizumessen. Ein allg Rückgriff auf die Sittenordnung ist damit nicht verbunden. Bereits der sich ausbreitende Wertepluralismus setzt dem enge Grenzen. So ist nur auf wenige fundamentale Prinzipien zurückzugreifen.
Rn 22
Als besonders sensibel erweist sich die Schnittstelle zur Sexualmoral. Bei der Verknüpfung rechtsgeschäftlicher Handlungen mit der Sexualsphäre liegt immer noch ein moralisches Unwerturteil nahe. Entscheidend wird sein, ob das Geschäft rechtlich zu missbilligen ist (zutr AnwK/Looschelders Rz 84). Nicht das sexuelle Verhalten, sondern zusätzliche Umstände müssen das Werturteil begründen (Soergel/Hefermehl Rz 206). Besonderes Gewicht besitzen die Menschenwürde (BVerwG NJW 96, 1424 [BVerwG 23.08.1995 - BVerwG 1 B 46/95]) sowie die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Zu berücksichtigen sind auch die im ProstG zum Ausdruck gekommenen Wertentscheidungen (BGH NJW 02, 361 [BGH 22.11.2001 - III ZR 5/01]).
Rn 23
Bei der Orientierung an sozialethischen Prinzipien wird ein durchschnittlicher Standard verlangt (BGHZ 10, 232), der dahingehend konkretisiert wird, dass weder besonders strenge noch gleichgültige Vorstellungen (AnwK/Looschelders Rz 38) oder individuelle Gerechtigkeitsüberzeugungen (BGH NJW 99, 568 [BGH 02.12.1998 - IV ZB 19/97]) zu berücksichtigen sind. Ergänzt werden muss dieses Rahmenmodell durch ein Verständnis, das dem dynamischen Faktor eines Vorstellungswandels Rechnung trägt.