1. Nichtigkeit.
Rn 40
Ein sittenwidriges Rechtsgeschäft ist nach der gesetzlichen Rechtsfolge uneingeschränkt, dh von Anfang an ex tunc (BaRoth/Wendtland Rz 29), und grds auch insgesamt nichtig (BGH NJW 89, 26 [BGH 17.05.1988 - VI ZR 233/87]). Die Nichtigkeit erfasst das gesamte Rechtsgeschäft. Das insgesamt nichtige Rechtsgeschäft kann nicht geheilt werden. Eine geänderte Preisabrede kann deswegen nicht die Wirksamkeit eines nichtigen Kaufvertrags begründen. Die Unheilbarkeit des gem § 138 nichtigen Rechtsgeschäfts hat zur Konsequenz, dass ein geändertes Rechtsgeschäft auch dann nicht die von den Parteien gewünschten Folgen herbeiführt, wenn es mit verändertem Inhalt unbedenklich und gültig gewesen wäre, falls es so von Anfang an vereinbart worden wäre (BGH NJW 12, 1571 [BGH 10.02.2012 - V ZR 51/11] Tz 17f). Eine teleologische Reduktion von § 138 durch einen immanenten Normzweckvorbehalt widerspricht der gesetzlichen Systematik (AnwK/Looschelders Rz 131; aA Staud/Sack/Fischinger § 138 Rz 158 110 ff). Die Nichtigkeit wirkt ggü jedermann, also ggü den Vertragspartnern wie auch am Vertrag nicht beteiligten Dritten (BGHZ 27, 181; 60, 104 f; MüKo/Armbrüster § 138 Rz 155), und ist vAw zu berücksichtigen (BGH NJW 81, 1439 f; NJ 07, 168 [BGH 07.12.2006 - V ZR 90/06]).
Rn 41
Um dem sittenwidrigen Geschäft nicht über den Umweg von Treu und Glauben zur Wirksamkeit zu verhelfen, stellt die Berufung auf die Nichtigkeit nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine unzulässige Rechtsausübung dar (BGH NJW 86, 2945 [BGH 24.06.1986 - VI ZR 222/85]). Eine solche Ausnahme liegt vor, wenn ein Dauerschuldverhältnis durchgeführt wurde und die Erfüllung für einen vergangenen Zeitabschnitt unter Berufung auf § 138 verweigert wird (BGH NJW 81, 1440).
2. Verfügungen.
Rn 42
Die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts berührt grds nicht die Wirksamkeit der abstrakten Erfüllungsgeschäfte (BGH NJW 73, 615 [BGH 03.10.1972 - VI ZR 135/71]; 90, 385 [BGH 03.10.1989 - XI ZR 154/88]; 01, 1129 [BGH 19.01.2001 - V ZR 437/99]). Ausnahmsweise wird von der Rspr eine Geschäftseinheit zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft anerkannt (BGH NJW 67, 1130 [BGH 02.02.1967 - III ZR 193/64]; 91, 918 [BGH 26.10.1990 - V ZR 22/89]; § 139 Rn 13 f). Das Verfügungsgeschäft ist iÜ nichtig, wenn es seinerseits gegen die guten Sitten verstößt. Dazu muss der Sittenverstoß gerade im Vollzug der Leistung liegen, wenn mit dem dinglichen Rechtsvorgang sittenwidrige Zwecke verfolgt werden (BGH NJW 85, 3007 [BGH 04.07.1985 - IX ZR 135/84]; Erman/Schmidt-Räntsch § 138 Rz 27). Bedeutsam ist dies va bei sittenwidrigen Sicherungsgeschäften (BGHZ 30, 153).
3. Einschränkungen.
a) Gesellschafts- und Arbeitsverträge.
Rn 43
Ausnahmen von der anfänglichen Nichtigkeit bestehen für die in Vollzug gesetzten Gesellschafts- und Arbeitsverträge, deren Unwirksamkeit nur mit Wirkung ex nunc geltend gemacht werden darf (BAG AP 18 zu § 611, faktisches Arbeitsverhältnis, Stripteasetänzerin; AnwK/Looschelders Rz 133). Die bisher für die öffentliche Vorführung des Geschlechtsverkehrs formulierte Rückausnahme (BAG NJW 76, 1959 [BAG 01.04.1976 - 4 AZR 96/75]) hat vor den Wertungen von § 1 ProstG keinen Bestand.
b) Geltungserhaltende Reduktion, Umdeutung.
Rn 44
Eine geltungserhaltende Reduktion des zu missbilligenden Geschäfts auf ein erträgliches Maß (BGHZ 107, 357; NJW 01, 817, aA Staud/Sack/Fischinger § 138 Rz 158 ff) oder eine Umdeutung (BGHZ 68, 207) sind grds ausgeschlossen, denn einem sittenwidrig Handelnden darf nicht das Risiko der Nichtigkeit genommen werden. Ausnw kann dies bei einer überlangen Bindungsdauer eines Dauerschuldverhältnisses anders zu bewerten sein (BGH NJW 91, 699, 700 [BGH 29.10.1990 - II ZR 241/89]).
c) Teilnichtigkeit.
Rn 45
Erstreckt sich die Nichtigkeit bei einem teilbaren Rechtsgeschäft auf einen abtrennbaren Teil, kommt eine Teilnichtigkeit nach § 139 in Betracht (BGHZ 52, 25; NJW 72, 1459). Allg wird eine Teilbarkeit angenommen, wenn der nach Entfernung (›Herausstreichen‹) des nichtigen Teils verbleibende Rest als selbstständiges Rechtsgeschäft möglich ist (BGH NJW 62, 913 [BGH 09.02.1962 - IV ZR 90/61]; 96, 774 [BGH 11.10.1995 - VIII ZR 25/94]; 01, 817 [BGH 14.11.2000 - XI ZR 248/99]; § 139 Rn 15). Eine Teilnichtigkeit kann aus der Unwirksamkeit einer Vertragsklausel oder Nebenabrede resultieren (BGH NJW 93, 1588f [BGH 07.01.1993 - IX ZR 199/91]). Liegen einem einheitlichen abstrakten Schuldanerkenntnis trennbare Einzelverträge als Kausalgeschäfte zugrunde, wird eine Teilbarkeit angenommen (BGH NJW 87, 2015 [BGH 15.01.1987 - III ZR 153/85]). Um eine gewisse Flexibilität ggü den strikten Folgen der Sittenwidrigkeit zu erreichen, tendiert die Rspr zu einer großzügigen Interpretation der Teilbarkeit. § 139 soll bereits dann anwendbar sein, wenn sich der Vertragsinhalt eindeutig in einen nichtigen und einen von der Nichtigkeit nicht berührten Teil abgrenzen lässt und die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit eine andere auf das zulässige Maß beschränkte Regelung vereinbart hätten (BGH NJW 01, 817 [BGH 14.11.2000 - XI ZR 248/99]).
Rn 46
Die Rspr hat eine alleinige Erbeinsetzung als teilw nichtig angesehen (BGHZ 52...