I. Rechtsgeschäft.
Rn 5
§ 139 gilt für Rechtsgeschäfte aller Art sowie Gesamtakte, wie Vereins-, Gesellschafts- und Wohnungseigentümerbeschlüsse, soweit diese einen rechtsgeschäftlichen Charakter besitzen (BGHZ 124, 122; 139, 298; BGH NJW 12, 2648 Tz 10, nicht lediglich interne Wirkung). Im Miet- und Arbeitsvertragsrecht wird § 139 weitgehend verdrängt (Rn 3). Bei normativ wirkenden Regelungen, wie Vereinssatzungen (BGHZ 47, 178), Tarifverträgen (BAG E 1, 272) oder Betriebsvereinbarungen (BAG DB 84, 723), scheidet eine Anwendung von § 139 aus. Prozesshandlungen der Parteien mit rechtsgeschäftlichem Charakter, insb die Prozessaufrechnung, sind entspr § 139 auszulegen (Zöller/Greger § 145 Rz 15). Auf Grundbucheintragungen ist § 139 anwendbar (RGZ 119, 214), im Grundbuchberichtigungsverfahren dagegen unanwendbar (BayObLG NJW-RR 97, 591 [BayObLG 07.11.1996 - 2Z BR 111/96]). Für Verwaltungsakte gilt § 44 IV VwVfG, für öffentlich-rechtliche Verträge § 59 III VwVfG.
II. Nichtigkeit.
Rn 6
Vorausgesetzt wird eine Teilnichtigkeit. Erstreckt sich die Nichtigkeit auf das gesamte Rechtsgeschäft, ist § 139 unanwendbar. Erfasst werden alle Arten der Unwirksamkeit (BGH NJW 70, 1415 [BGH 22.05.1970 - V ZR 130/67]; 86, 1990 [BGH 16.04.1986 - VIII ZR 79/85]). Die Regelung gilt für eine anfängliche Teilnichtigkeit bei Sittenwidrigkeit, Gesetzesverstoß, Scheingeschäft oder Formnichtigkeit (RGZ 107, 40), die rückwirkende Nichtigkeit im Fall einer Teilanfechtung (BGH NJW 69, 1760 [BGH 04.07.1969 - V ZR 69/66]; s.a. § 143 Rn 2) sowie eine nachträgliche Unwirksamkeit. Sie erstreckt sich auf die schwebende Unwirksamkeit bei genehmigungsbedürftigen Geschäften etwa gem §§ 108, 177 (BGH NJW 70, 753 [BGH 29.01.1970 - VII ZR 34/68]; s.a. NJW 74, 2234 [BGH 18.09.1974 - VIII ZR 63/73]), die Unwirksamkeit nach Versagung der Genehmigung (BGH NJW 70, 1415 [BGH 22.05.1970 - V ZR 130/67]) und die relative Unwirksamkeit (Staud/Roth Rz 33).
Rn 7
Auf einen Widerruf (BGHZ 97, 360; 128, 165; zum Widerrufsrecht mehrerer BGHZ 212, 207) oder Teilrücktritt (BGH NJW 76, 1932) ist § 139 anwendbar. Bei einem Rücktritt wegen Pflichtverletzung enthält § 323 V eine Sonderregelung. Im Fall einer Teilunmöglichkeit gelten die §§ 275, 281 ff, 323 ff. Bis zur Ausübung eines verbraucherrechtlichen Rücktrittsrechts gem § 355 besteht eine schwebende Wirksamkeit und nach Ausübung ein Rückgewährschuldverhältnis. Besondere Regelungen sehen auch die §§ 358 f vor. § 139 ist hier unanwendbar (Staud/Roth Rz 33; Jauernig/Mansel Rz 1; aA Karlsr NJW-RR 03, 185 [OLG Karlsruhe 29.10.2002 - 17 U 140/01]; Grüneberg/Ellenberger § 139 Rz 2).
III. Einheitlichkeit.
1. Geschäftseinheitswille.
Rn 8
§ 139 setzt die Teilnichtigkeit eines einheitlichen Rechtsgeschäfts voraus. Die erforderliche Einheitlichkeit liegt vor, wenn das Rechtsgeschäft einem gesetzlichen Typus zugehört und einzelne Vertragsklauseln oder Nebenbestimmungen nichtig sind. Besteht ein zusammengesetztes Rechtsgeschäft aus je für sich selbstständig wirksamen Teilen (Notebookkauf und Softwarelizenzvertrag, s.a. Rn 11), ist auf die durch den Parteiwillen begründete Geschäftseinheit abzustellen. Auch mehrere rechtlich selbstständige Rechtsgeschäfte können zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft verbunden werden (BGHZ 102, 62).
Rn 9
Der erforderliche Einheitlichkeitswille (BGH NJW 07, 1131 Tz 24) liegt vor, wenn das eine Geschäft nicht ohne das andere gewollt ist, also die Vereinbarungen miteinander stehen und fallen sollen (BGHZ 50, 13; NJW 90, 1474; WM 11, 2311 Tz 55). Um ein einheitliches Rechtsgeschäft anzunehmen, ist nicht notwendig, dass zwischen den mehreren Akten ein rechtlicher Zusammenhang bereits durch rechtsgeschäftliche Bedingungen hergestellt wird. Auch selbständige Rechtsgeschäfte, die unterschiedlichen Geschäftstypen angehören, können von einem Einheitlichkeitswillen erfasst werden (BGH NJW 11, 2874 [BGH 30.03.2011 - VIII ZR 94/10] Rz 24). Sogar bei mehreren Rechtsgeschäften, die zwischen verschiedenen Personen abgeschlossen werden, ist eine Geschäftseinheit möglich (BGH NJW 76, 1931, 1932). Stets ist der Wille zu einer rechtlichen Einheit erforderlich, nicht nur zur wirtschaftlichen Verknüpfung. Es genügt, wenn der Wille nur bei einem Partner vorhanden, dem anderen jedoch erkennbar geworden und von ihm hingenommen ist (BGH NJW 87, 2007; 92, 3238 [BGH 09.07.1992 - IX ZR 209/91]). Der Einheitlichkeitswille kann vermutet werden, wenn beide Geschäfte in derselben Urkunde niedergelegt sind (BGH NJW 70, 1415 [BGH 22.05.1970 - V ZR 130/67]; 87, 2007 [BGH 25.03.1987 - VIII ZR 43/86]). Werden die Geschäfte in unterschiedlichen Urkunden vereinbart, spricht dies gegen die rechtliche Einheit (BGH MDR 66, 749), doch kann auch dann eine Geschäftseinheit begründet werden (BGH NJW 90, 1474). Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts (BGH WM 11, 2311 Tz 58).
2. Einzelfälle.
Rn 10
Die Fallbeispiele können nur einen Anhalt bieten, da eine Geschäftseinheit aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls festzustellen ist. Eine Geschäftseinheit wurde bejaht zwischen mehreren Grundstückskaufverträgen (BGH WM 00...