I. Rechtsgeschäft.
Rn 5
Alle Arten von Rechtsgeschäften können umgedeutet werden, also einseitige Rechtsgeschäfte (BAG NJW 02, 2973 [BAG 15.11.2001 - 2 AZR 310/00]), gegenseitige Verträge (BGH NJW 63, 339 [BGH 28.11.1962 - V ZR 127/61]), Verfügungen (RGZ 66, 28; 124, 30), auch des Nichtberechtigten (Völzmann Rpfleger 05, 65; aA RGZ 124, 31), familienrechtliche Rechtsgeschäfte (Karlsr NJW 77,1731), Verfügungen von Todes wegen (BGHZ 40, 224) und andere erbrechtliche Geschäfte (RGZ 129, 123). Fehlerhafte Prozesshandlungen der Parteien können entspr § 140 umgedeutet werden (BGH NJW 01, 1218 [BGH 06.12.2000 - XII ZR 219/98]; 07, 1461 [BGH 01.02.2007 - V ZB 110/06]; 17, 260 [BGH 28.09.2016 - XII ZB 487/15]; s.u. Rn 18). Im Grundbuchverfahren ist eine Umdeutung unter den formellen Anforderungen des Grundbuchverfahrensrechts möglich (BayObLG NJW-RR 97, 1238 [BayObLG 18.03.1997 - 2 ZBR 129/96]; 99, 621 [BayObLG 25.06.1998 - 2 ZBR 55/98]). Öffentlich-rechtliche Verträge können nach § 62 2 VwVfG entspr § 140 umgedeutet werden (BGHZ 76, 28; BVerwG NJW 80, 2539). Für fehlerhafte Verwaltungsakte enthält § 47 VwVfG eine Sonderregelung. Umstr ist, ob § 140 auf öffentlich-rechtliche Willenserklärungen angewendet werden kann (Staud/Roth Rz 12).
II. Nichtigkeit.
Rn 6
Das Rechtsgeschäft muss insgesamt nichtig sein. Eine Teilnichtigkeit genügt nicht, es sei denn, sie hat über § 139 zur Gesamtnichtigkeit geführt (MüKo/Busche § 140 Rz 12). Gültige, heilbare oder schwebend unwirksame (bis zum Eintritt der endgültigen Unwirksamkeit) Rechtsgeschäfte können nicht umgedeutet werden (BGH ZIP 09, 264 Tz 31, fehlende Genehmigung; Staud/Roth Rz 14); keine Umdeutung, wenn der Vertragsschluss am Dissens gescheitert ist (RGZ 93, 300). Grds werden alle Nichtigkeitsgründe erfasst (AnwK/Faust Rz 10), praktisch erfolgt eine Konversion va bei Formnichtigkeit (BGH NJW 80, 2517 [BGH 05.02.1980 - KZR 13/79]) und bei Verstößen gegen zwingende gesetzliche Vorschriften zB des Typenzwangs (Neuner § 57 Rz 2). Auf endgültig unwirksame Rechtsgeschäfte, etwa nach Verweigerung einer Genehmigung (BGHZ 40, 222), oder auf eine ohne wichtigen Grund erklärte außerordentliche Kündigung (BGH NJW 98, 76) ist § 140 anwendbar. Umstr ist, ob ein angefochtenes Rechtsgeschäft umgedeutet werden kann. Dies ist prinzipiell zu bejahen, da die angefochtene Erklärung ihre Bedeutung als Manifestation eines Willens nicht restlos verloren hat (Soergel/Hefermehl Rz 3; Bork AT Rz 1228 Fn 38; aA Medicus/Petersen AT Rz 518), doch muss dazu der fehlerfreie Inhalt der Willenserklärung feststellbar sein (vgl § 140/Busche Rz 14).
Rn 7
Der Schutzzweck des Nichtigkeitsgrundes darf eine Umdeutung nicht ausschließen (BGH NJW 94, 1787 [BGH 30.03.1994 - XII ZR 30/92]). Bei einem gesetzes- oder sittenwidrigen Rechtsgeschäft scheidet eine Umdeutung aus (BGH NJW 77, 1234; 86, 2945 [BGH 24.06.1986 - VI ZR 222/85]). Die Konversion setzt voraus, dass nicht der mit dem Rechtsgeschäft angestrebte wirtschaftliche Erfolg, sondern nur das von den Parteien gewählte Mittel von der Rechtsordnung missbilligt wird (BGH NJW 77, 1234 [BGH 27.04.1977 - IV ZR 143/76]). Die Erklärung eines Geschäftsunfähigen kann nicht umgedeutet werden (BaRoth/Wendtland Rz 7).
III. Ersatzgeschäft.
Rn 8
Das nichtige Geschäft muss gem § 140 den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts entsprechen. Das Ersatzgeschäft kann ein Geschäft anderer Art sein oder dem von den Parteien vorgestellten Geschäftstyp entspr (Stuttg JZ 75, 573 [OLG Stuttgart 21.11.1974 - 13 U 120/74]; Staud/Roth Rz 19). Das Ersatzgeschäft muss nicht notwendig wirksam sein. Es genügt, wenn es weniger fehlerhaft als das umgedeutete Geschäft ist, zB schwebend unwirksam statt unwirksam (AnwK/Faust Rz 17).
Rn 9
Zwischen nichtigem Geschäft und Ersatzgeschäft muss eine Kongruenz bestehen (MüKo/Busche § 140 Rz 16; Zeiss WM 64, 908). Entscheidend ist nicht, ob das Ersatzgeschäft im nichtigen Geschäft enthalten war (so aber BGHZ 19, 275; 20, 370; 26, 329), sondern ob der erstrebte wirtschaftliche Erfolg erreicht wird (BGH NJW 77, 1234). Das Ersatzgeschäft darf ein minus oder aliud, nicht aber ein plus (BGHZ 125, 363) darstellen (Erman/Arnold Rz 11). Eine nichtige Verpfändung kann daher in ein vertragliches Zurückbehaltungsrechtumgedeutet werden (RGZ 124, 30).
IV. Hypothetischer Wille.
Rn 10
Das Ersatzgeschäft gilt nach § 140 nur dann, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde. Abzustellen ist primär auf den wirklichen Willen (BGH ZIP 01, 307). Da dieser nur ausnahmsweise feststellbar sein wird, kommt es zumeist auf den hypothetischen Willen an (BGHZ 147, 148; AnwK/Faust Rz 31). Eine Umdeutung gegen den Parteiwillen ist unzulässig (BGHZ 19, 273; NJW 71, 420). Kannten beide Parteien die Nichtigkeit, scheidet eine Umdeutung aus (Erman/Arnold Rz 14), anders wenn jene nur einer Seite bekannt war (Mülhans NJW 94, 1049; Hamm VersR 86, 760, dem Erklärenden darf die Nichtigkeit nicht bekannt sein).
Rn 11
Bei der Bestimmung des hypothetischen Willens ist darauf abzustellen, was die Parteien gewollt hätten, wenn ihnen die...