I. Grundlagen.
Rn 2
Die Anfechtung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die auch dann formfrei wirksam ist, wenn das angefochtene Geschäft einem Formzwang unterliegt (BaRoth/Wendtland § 143 Rz 2). Als Gestaltungsrecht ist die Anfechtung unwiderruflich (§ 142 Rn 3) sowie grds befristungs- und bedingungsfeindlich (BGH NJW-RR 07, 1282 [BGH 28.09.2006 - I ZR 198/03] Tz 17). Zulässig ist eine Bedingung über deren Eintritt der Anfechtungsgegner entscheidet (Neuner AT § 41 Rz 16). Ebenfalls wirksam ist eine Eventualanfechtung, falls das Rechtsgeschäft nicht den behaupteten Inhalt hat oder nicht ohnehin nichtig ist (BGH NJW 17, 1660 [BGH 15.02.2017 - VIII ZR 59/16] Tz 31) oder bei der eine Anfechtung im Prozess unter der Rechtsbedingung geltend gemacht wird, dass ein anderes Recht nicht besteht (BGH NJW 68, 2099), insb für den Fall nicht bestehender Gewährleistungsrechte (BGH NJW 91, 1673 [BGH 22.02.1991 - V ZR 299/89]). Eine Teilanfechtung ist bei einem teilbaren Rechtsgeschäft möglich (RGZ 146, 236f). Nur ein Teil des Rechtsgeschäfts darf dabei von dem Anfechtungsgrund betroffen sein (Staud/Roth § 142 Rz 26). Der verbleibende Teil muss ein wirksames Rechtsgeschäft bilden (BGH NJW-RR 02, 381 [BGH 28.11.2001 - IV ZR 309/00]) und insb die essentialia negotii umfassen, sonst ist die Anfechtung unwirksam (Vetter MDR 98, 576). Zur Anfechtung nichtiger Rechtsgeschäfte § 142 Rn 6.
II. Inhalt.
Rn 3
Die Anfechtung muss nicht ausdrücklich erklärt, der Ausdruck Anfechtung nicht verwendet werden. Erforderlich ist eine Äußerung oder ein konkludentes Verhalten, dem der Anfechtungsgegner unzweideutig entnehmen kann, dass das Rechtsgeschäft wegen des Willensmangels rückwirkend beseitigt werden soll (BGHZ 88, 245; 91, 331 f; NJW-RR 95, 859; 02, 380). Die Abgrenzung ist unproblematisch, wenn dem Anfechtungsgegner der Anfechtungsgrund bekannt ist. Es kann genügen, wenn eine Verpflichtung bestr, ihr widersprochen (zu den Grenzen BGH MDR 55, 25) oder sie nicht anerkannt wird (BGHZ 91, 331f). Es ist eine Auslegungsfrage, ob eine Rücktritts- (abl RGZ 105, 207; erst recht die Einräumung eines Rücktrittsrechts LG Bonn BeckRS 05, 05137) oder Widerrufserklärung, eine Strafanzeige (vgl BGH WM 75, 1002) oder ein Schadensersatzbegehren (vgl BGH NJW 91,1674 [BGH 22.02.1991 - V ZR 299/89]) eine Anfechtungserklärung beinhaltet. Umgekehrt kann eine Anfechtungserklärung einen Widerruf darstellen (BGH NJW 17, 2337 [BGH 12.01.2017 - I ZR 198/15]).
Rn 4
Der Anfechtungsgrund muss nicht angegeben werden (RGZ 65, 88; offengelassen von BGH NJW 66, 39), denn die Gesetzesfassung verlangt keine Begründung. Der Anfechtungsgrund muss erkennbar sein (Staud/Roth § 143 Rz 11; Erman/Arnold Rz 2; Grüneberg/Ellenberger § 143 Rz 3; Medicus/Petersen AT Rz 724). Ein Nachschieben von Anfechtungsgründen ist als neue Anfechtungserklärung zu werten, deren Rechtzeitigkeit nach dem Zeitpunkt ihrer Abgabe zu beurteilen ist (BGH NJW 95, 191). Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kann als Anfechtung wegen eines Irrtums nach § 119 II (BGHZ 34, 38 f; 78, 221) und eine auf § 119 II gestützte Erklärung als Anfechtung nach § 123 ausgelegt werden (Staud/Roth § 143 Rz 12).
III. Anfechtungsberechtigter.
Rn 5
Dies ist derjenige, dessen Erklärung mit einem Willensmangel behaftet ist. Sonderregeln enthalten die §§ 2080, 2285. Beim Tod des Erklärenden geht das Anfechtungsrecht auf die Erben über (BGH NJW 04, 769). Der Vertreter ist nur dann anfechtungsberechtigt, wenn seine Vollmacht das Anfechtungsrecht einschließt (BeckOK/Wendtland § 143 Rz 9). Einem Vertreter ohne Vertretungsmacht steht das Anfechtungsrecht zur Abwehr seiner Einstandspflicht selbstständig zu (BGH NJW 02, 1868 [BGH 04.04.2002 - III ZR 237/01]). Bei mehreren Anfechtungsberechtigten kann jeder unabhängig von den anderen die Anfechtung erklären (RGZ 56, 424; 65, 405), anders bei einer Erbengemeinschaft (BGH NJW 04, 769 [BGH 14.01.2004 - XII ZR 69/01]).