Prof. Dr. Moritz Brinkmann
a) Grundsatz.
Rn 5
Wie bei jeder Willenserklärung ist auch bei Angebot und Annahme der aus der Erklärung hervorgehende Rechtsbindungswille des Erklärenden Wirksamkeitsvoraussetzung. Sein Vorliegen ist vom objektiven Empfängerhorizont aus zu beurteilen (BGH NJW 05, 2620f [BGH 13.07.2005 - VIII ZR 255/04]). Hierbei geht es nicht um die Bindung an das Angebot, also seine mangels abweichender Bestimmung fehlende Widerrufbarkeit (hierzu Rn 10 ff), sondern um den Geltungswillen, der sich auf den angetragenen Vertrag beziehen muss. Die gewollte Bindung an das Angebot und die gewollte Bindung an den Vertrag sind insofern auseinander zu halten. Letztere ist unverzichtbare Wirksamkeitsvoraussetzung, während die Unwiderruflichkeit des Angebots ausgeschlossen werden kann, § 145 Hs 2, und insofern den Wirkungen der Willenserklärung zuzuordnen ist (zu dieser Differenzierung Häsemeyer in FS Jayme, 1435 ff).
b) Abgrenzung zur invitatio ad offerendum.
Rn 6
Ob ein mit Rechtsbindungswillen abgegebenes Angebot vorliegt oder nur eine unverbindliche Aufforderung zur Abgabe eines solchen durch den anderen Teil (invitatio ad offerendum) ist Auslegungsfrage. Abzustellen ist wie stets bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen auf den objektiven Empfängerhorizont, §§ 133, 157 (vgl BGHZ 160, 393, 397 = NJW 04, 3700 Vertragsschluss bei Postident-Verfahren). Mit der Vorlage einer von ihm noch nicht unterzeichneten Vertragsurkunde gibt der Vorlegende kein Angebot iSd § 145 ab, sondern fordert den anderen Teil lediglich zur Abgabe eines schriftlichen Vertragsangebots zu den in der Vertragsurkunde genannten Bedingungen auf (BAG 14.12.16 – 7 AZR 756/14, Tz 20, 26). Ferner ist auf Seiten des Erklärenden zu berücksichtigen, ob ein Bindungswille etwa an Vorbehalten hinsichtlich der eigenen Leistungsfähigkeit oder Leistungsbereitschaft scheitert (so uU bei Auslegung von Waren im Schaufenster, für die nicht zwingend angenommen werden kann, dass der Aussteller gerade diese Stücke verkaufen will, Neuner AT § 37 Rz 7). Auch Kataloge, Preislisten oder Speisekarten im Restaurant stellen daher noch keine Angebote dar. Im Bereich des e-commerce soll auch bei solchen Systemen, die eine Online-Überprüfung der Produktbestände vornehmen, nur eine invitatio gegeben sein(BGH NJW 13, 598 [BGH 16.10.2012 - X ZR 37/12] Rz 14; Nürnbg MMR 10, 31 [OLG Nürnberg 10.06.2009 - 14 U 622/09]; Erman/Armbrüster Rz 7). Erst die Auftragsbestätigung (§ 148 Rn 9), noch nicht die Bestellbestätigung (§ 148 Rn 2) ist dann die Annahme des vom Kunden abgegebenen Angebots.
Rn 7
Umgekehrt ist auf Seiten des Empfängers zu berücksichtigen, ob sich dieser auf die Rechtsverbindlichkeit der Erklärung verlassen durfte, weil für ihn ein besonderes Interesse an der vertraglichen Bindung schon im Moment seiner (Annahme-)Erklärung bestand, das für den anderen Vertragsteil erkennbar war. Dies dürfte etwa bei der Reservierung von Hotelzimmern der Fall sein (Ddorf NJW-RR 91, 1143 [OLG Düsseldorf 02.05.1991 - 10 U 191/90]; LG Frankfurt NJW-RR 06, 54 [LG Frankfurt am Main 18.08.2005 - 2-01 S 52/04]). Auch darf derjenige, der bereits eine invitatio ad offerendum abgegeben hat, damit rechnen, dass der andere Teil nicht seinerseits wiederum nur mit einer solchen antwortet. Die Antwort wird er vielmehr regelmäßig als Angebot verstehen dürfen (BGH NJW 84, 1885f [BGH 08.03.1984 - VII ZR 177/82]). Des Weiteren werden Abmahnschreiben eines Wettbewerbers mit vorformulierten, strafbewehrten Unterlassungserklärungen als Angebot gewertet (BGHZ 121, 13, 16 = NJW 93, 722; BB 17, 1675; Staud/Bork Rz 13).
c) Rechtsfolgen unverbindlicher Erklärungen.
Rn 8
Auch wenn die invitatio ad offerendum und regelmäßig der letter of intent (Vor §§ 145 ff Rn 39) keine vertragliche Bindung erzeugen, können diese Instrumente doch einen Vertrauenstatbestand schaffen, aus dessen Verletzung sich Ersatzansprüche nach §§ 280, 241 II, 311 II ergeben können (zum letter of intent Bergjan ZIP 04, 395). Entspr Verletzungen können sowohl im grundlosen Abbruch der Vertragsverhandlungen liegen (§ 311 Rn 48), als uU auch im Schweigen auf ein Angebot, das als Antwort auf eine invitatio gemacht wurde (RGZ 102, 229, §§ 147, 148 Rz 4; s.a. Rn 14).