Prof. Dr. Moritz Brinkmann
Rn 5
Kraft Gewohnheitsrechts (K. Schmidt HandelsR § 19 III 1a) kann auch an das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben die Fiktion der Annahme durch den Empfänger geknüpft werden (s aber auch die gesetzliche Annahmefiktion in § 362 HGB, s Rn 3). Tatbestandlich gelten folgende Voraussetzungen: (1) Absender und Empfänger des Schreibens müssen Kaufleute sein oder wie solche am Geschäftsverkehr teilnehmen (Vertretung eines Nicht-Kaufmanns durch einen Rechtsanwalt genügt nicht, BGH NJW 75, 1358 [BGH 06.05.1975 - VI ZR 120/74]). Hilfreich dürfte es sein, auf die Unternehmereigenschaft nach § 14 abzustellen. Danach können auch Insolvenzverwalter (BGH NJW 87, 1941), Rechtsanwälte (bei Handeln im eigenen Namen, RG JW 31, 522, nicht wenn sie als Vertreter für einen Nicht-Kaufmann handeln), Makler, Architekten und Wirtschaftsprüfer (BGHZ 40, 42, 44 = NJW 63, 1922; DB 67, 1362; Brandbg BauR 09, 1484; Kobl NJW-RR 08, 813) Empfänger oder Absender eines Bestätigungsschreibens sein. (2) Das Schreiben muss dem Empfänger zugegangen sein, sodass er die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte (BGHZ 70, 232, 233 = NJW 78, 886). (3) Es müssen Vertragsverhandlungen unmittelbar vorausgegangen sein (BGH NJW 90, 386 [BGH 27.09.1989 - VIII ZR 245/88]), die nach Meinung des Absenders zu einem Vertragsschluss geführt haben, sodass der Empfänger mit dem Eintreffen eines Bestätigungsschreibens rechnen konnte (BGH NJW 64, 1223 [BGH 19.02.1964 - Ib ZR 203/62]). Dass der am Vertragsschluss beteiligte Vertreter tatsächlich vollmachtlos war, hindert nicht die Anwendbarkeit der Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben (BGH NJW 07, 987, 988 [BGH 10.01.2007 - VIII ZR 380/04]). Dieser (angebliche) Vertragsschluss muss im Schreiben bestätigt werden (BGH NJW 64, 1224 [BGH 30.01.1964 - II ZR 141/62]; NJW 72, 820 [BGH 01.03.1972 - VIII ZR 190/70]), wobei es eine Frage des Einzelfalls ist, ob die Bitte um Gegenbestätigung das Vorliegen eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens ausschließt (BGH NJW-RR 07, 325 [BGH 24.10.2006 - X ZR 124/03]). (4) Ein unverzüglicher (§ 121 I 1) Widerspruch des Empfängers des Bestätigungsschreibens nimmt diesem jede Wirkung. Für die Unverzüglichkeit kommt es auf die Umstände des Vertragsschlusses an, die Beurteilung unterliegt tatrichterlichem Ermessen (BGH NJW 62, 246f [BGH 20.11.1961 - VIII ZR 126/60]).
Rn 6
Für den Fall eines tatsächlich mit diesem Inhalt geschlossenen Vertrags kommt dem Bestätigungsschreiben nur Beweisfunktion im Prozess zu (BGH NJW 64, 1269, 1270 [BGH 18.03.1964 - VIII ZR 281/62]). Ist es jedoch iRd Verhandlungen in Wahrheit noch nicht zu einem Vertragsschluss zu diesen Bedingungen gekommen, entfaltet das Bestätigungsschreiben materielle Wirkung. Diese kann darin bestehen, dass der Inhalt des geschlossenen Vertrags entspr dem Inhalt des Schreibens abgeändert wird, es kann aber auch sein, dass der Vertrag überhaupt erst durch die widerspruchslose Hinnahme geschlossen wird, soweit nicht andere Wirksamkeitsmängel entgegenstehen (BGH NJW-RR 91, 1290 [BGH 20.06.1991 - BLw 2/91]; NJW 81, 2147). Dogmatisch handelt es sich insofern entweder um einen Antrag auf Abschluss eines Änderungsvertrags oder gem § 150 II um einen neuen Antrag (NK-BGB/Rademacher/G. Schulze § 147 Rz 10 Fn 39); die Annahme wird jeweils infolge des Schweigens fingiert. Ein (Erklärungs-)Irrtum über die Bedeutung des Schweigens auf das Bestätigungsschreiben berechtigt nicht zur Anfechtung der fingierten Willenserklärung, da die Wirkungen kraft Gesetzes eintreten und nicht auf dem Willen des Schweigenden beruhen (Lettl JuS 08, 849, 852). Die Anfechtung wegen Inhaltsirrtums bleibt unberührt, allerdings ist die Kausalität des Irrtums für sein Schweigen vom Anfechtenden zu beweisen (BGH NJW 72, 45).
Rn 7
Eines Widerspruchs bedarf es dann nicht, wenn das Schreiben vom Inhalt der bereits getroffenen Vereinbarung in so erheblicher Weise abweicht, dass der Absender vernünftigerweise, also objektiv (MüKoHGB/Maultzsch § 346 Rz 162; aA Lettl JuS 08, 849, 851), nicht mit der widerspruchslosen Hinnahme durch den Empfänger rechnen durfte (BGH NJW 94, 1288; Kobl NJW-RR 08, 813). Das gilt auch für mit dem Bestätigungsschreiben einbezogene AGB, sofern der Absender deren Hinnahme nicht erwarten konnte, etwa weil sie erheblich vom dispositiven Recht abweichen (BGH NJW 80, 449 [BGH 07.11.1979 - VIII ZR 223/78]). Ein bewusst falsches Bestätigungsschreiben bedarf ebenfalls keines Widerspruchs (BGH JZ 67, 575). Für Abweichungen des Schreibens vom tatsächlich Vereinbarten ist der Empfänger beweispflichtig (BGH NJW-RR 01, 680 [BGH 08.02.2001 - III ZR 268/00]).
Rn 8
Auch bei sich kreuzenden Bestätigungsschreiben unterschiedlichen Inhalts bedarf es von keiner Seite eines Widerspruchs (BGH BB 61, 954; WM 84, 639; anders BGH NJW 66, 1070 für zusätzlichen Gewährleistungsausschluss, zweifelhaft), da die Parteien hier die abweichende Auffassung des jeweils anderen Teils kennen mussten (MüKo/Busche § 147 Rz 23; Lettl JuS 08, 849).