Prof. Dr. Moritz Brinkmann
1. Schweigen im Allgemeinen.
Rn 3
Schweigen stellt auch im kaufmännischen Verkehr grds keine Annahme dar (NK-BGB/Rademacher/G. Schulze § 147 Rz 5). Auch iRv § 663 und § 44 BRAO folgt aus einem Unterlassen der Ablehnungsanzeige nur ein Ersatzanspruch auf das negative Interesse (§ 663 Rn 5; Jauernig/Mansel § 663 Rz 3). Anders im Anwendungsbereich von § 516 II 2, § 362 I HGB und § 5 III 1 PflVG. In diesen Fällen knüpft das Gesetz an das Schweigen des Angebotsempfängers die Fiktion der Annahme. Weiterhin kann zwischen den Parteien vereinbart worden sein, dass dem Schweigen Annahmewirkung zukommen soll (›beredtes Schweigen‹, Ddorf NJW 05, 1515 [OLG Düsseldorf 28.12.2004 - 21 U 68/04]). Für Vereinbarung in AGB s § 308 Nr 5. Auch bei entspr Rahmenverträgen oder bei laufender Geschäftsverbindung, bei der sich eine derartige Übung entwickelt hat, kann im Schweigen eine konkludente Annahme liegen (RGZ 84, 324; bei außergewöhnlichen und besonders bedeutsamen Geschäften jedoch zu verneinen, BGH NJW-RR 94, 1165 [BGH 01.06.1994 - XII ZR 227/92]).
Rn 4
Schweigt der Empfänger eines Angebots, das auf eine von ihm stammende invitatio hin abgegeben wurde, so wird man dagegen grds nur einen Schadensersatzanspruch aus § 311 II anerkennen können (RGZ 102, 229; Staud/Bork § 146 Rz 10; NK-BGB/Rademacher/G. Schulze § 147 Rz 7; aA Erman/Armbrüster § 147 Rz 3). Aus der Verletzung einer ausnahmsweise zu bejahenden Pflicht zur Ablehnung des Angebots (§ 146 Rn 1) folgt insofern nicht zwingend die Fiktion der Annahme (aA Grüneberg/Ellenberger § 147 Rz 3). Zur Abgrenzung muss es darauf ankommen, ob sich das Verhalten des Angebotsempfängers nach §§ 133, 157 dahingehend auslegen lässt, dass er den Vertrag wollte. Die Rspr verfährt hier zT unter Berufung auf § 242 großzügig. So soll bei einer geringfügig verspäteten Annahmeerklärung das Schweigen des Empfängers regelmäßig als konkludente Annahme des neuen Angebots (§ 150 I) zu werten sein (§ 150 Rn 2). Auch in diesen Fällen soll aber Anderes anzunehmen sein, wenn Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Änderung seiner sachlichen Entscheidung nahelegen (BGH NJW 86, 1809 [BGH 26.03.1986 - VIII ZR 85/85]; NJW-RR 94, 1165 [BGH 01.06.1994 - XII ZR 227/92]). Weitergehend Flume II § 35 II 2, der § 149 analog anwenden will. Auch Schweigen auf ein Angebot auf Grund von Verhandlungen, bei denen alle wesentlichen Punkte geklärt worden waren und die Parteien daher fest mit einem Vertragsschluss rechnen durften, soll Annahme sein (BGH NJW 96, 920 [BGH 02.11.1995 - X ZR 135/93]; NJW 95, 1281 [BGH 14.02.1995 - XI ZR 65/94]; sogar bei Vorverhandlungen mit namensähnlicher Schwesterfirma BGH NJW-RR 86, 457 [BGH 15.01.1986 - VIII ZR 6/85]).
2. Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben.
Rn 5
Kraft Gewohnheitsrechts (K. Schmidt HandelsR § 19 III 1a) kann auch an das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben die Fiktion der Annahme durch den Empfänger geknüpft werden (s aber auch die gesetzliche Annahmefiktion in § 362 HGB, s Rn 3). Tatbestandlich gelten folgende Voraussetzungen: (1) Absender und Empfänger des Schreibens müssen Kaufleute sein oder wie solche am Geschäftsverkehr teilnehmen (Vertretung eines Nicht-Kaufmanns durch einen Rechtsanwalt genügt nicht, BGH NJW 75, 1358 [BGH 06.05.1975 - VI ZR 120/74]). Hilfreich dürfte es sein, auf die Unternehmereigenschaft nach § 14 abzustellen. Danach können auch Insolvenzverwalter (BGH NJW 87, 1941), Rechtsanwälte (bei Handeln im eigenen Namen, RG JW 31, 522, nicht wenn sie als Vertreter für einen Nicht-Kaufmann handeln), Makler, Architekten und Wirtschaftsprüfer (BGHZ 40, 42, 44 = NJW 63, 1922; DB 67, 1362; Brandbg BauR 09, 1484; Kobl NJW-RR 08, 813) Empfänger oder Absender eines Bestätigungsschreibens sein. (2) Das Schreiben muss dem Empfänger zugegangen sein, sodass er die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte (BGHZ 70, 232, 233 = NJW 78, 886). (3) Es müssen Vertragsverhandlungen unmittelbar vorausgegangen sein (BGH NJW 90, 386 [BGH 27.09.1989 - VIII ZR 245/88]), die nach Meinung des Absenders zu einem Vertragsschluss geführt haben, sodass der Empfänger mit dem Eintreffen eines Bestätigungsschreibens rechnen konnte (BGH NJW 64, 1223 [BGH 19.02.1964 - Ib ZR 203/62]). Dass der am Vertragsschluss beteiligte Vertreter tatsächlich vollmachtlos war, hindert nicht die Anwendbarkeit der Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben (BGH NJW 07, 987, 988 [BGH 10.01.2007 - VIII ZR 380/04]). Dieser (angebliche) Vertragsschluss muss im Schreiben bestätigt werden (BGH NJW 64, 1224 [BGH 30.01.1964 - II ZR 141/62]; NJW 72, 820 [BGH 01.03.1972 - VIII ZR 190/70]), wobei es eine Frage des Einzelfalls ist, ob die Bitte um Gegenbestätigung das Vorliegen eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens ausschließt (BGH NJW-RR 07, 325 [BGH 24.10.2006 - X ZR 124/03]). (4) Ein unverzüglicher (§ 121 I 1) Widerspruch des Empfängers des Bestätigungsschreibens nimmt diesem jede Wirkung. Für die Unverzüglichkeit kommt es auf die Umstände des Vertragsschlusses an, die Beurteilung unterliegt tatrichterlichem Ermessen (BGH NJW 62, 246f [BGH...