I. Nichtbestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft.
Rn 2
Unter der Lebensgemeinschaft ist das Ganze der ehelichen Lebensverhältnisse zu verstehen, wobei primär die wechselseitigen inneren Bindungen der Eheleute sind und die häusliche Gemeinschaft die äußere Realisierung der Lebensgemeinschaft in einer beiden Ehegatten gemeinsamen Wohnung umschreibt (BGH FamRZ 02, 316; 89, 479). Die Lebensgemeinschaft besteht nicht mehr, wenn zwischen den Ehegatten objektiv keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht und subjektiv zumindest ein Ehegatte die Ehe mit dem anderen nicht mehr fortsetzen will (Zweibr FamRZ 06, 1210).
Rn 3
Die räumliche Trennung der Eheleute ist zumeist Indiz für die Aufhebung der Lebensgemeinschaft (BGH NJW 78, 1810 [BGH 14.06.1978 - IV ZR 164/77]). Definiert ist die Trennung in § 1567. Sie allein reicht aber nicht aus, um das Nichtbestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft feststellen zu können. Das gilt, wenn es trotz getrennten Wohnens noch intensive Kontakte zwischen den Eheleuten gibt, bei denen es auch zum Geschlechtsverkehr kommt (Köln FamRZ 02, 239; Schlesw FamRZ 01, 1456) oder wenn es wegen der besonders gelagerten Umstände des Falles eine häusliche Gemeinschaft nicht geben kann (Dresden MDR 02, 762 für den Fall der Verbüßung einer Haftstrafe durch einen Ehegatten). Hat eine häusliche Gemeinschaft von Beginn der Ehe an nie bestanden, beginnt das Trennungsjahr, wenn sich wenigstens ein Ehegatte von den iÜ bestehenden Gemeinsamkeiten lossagt (München FamRZ 98, 826).
Rn 4
Beim Getrenntleben innerhalb der ehelichen Wohnung bedarf es für die Annahme der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Feststellung, dass sich die Gemeinsamkeiten im Haushalt auf das unvermeidliche Maß beschränken, woran es fehlt, wenn die Haushaltsführung entspr der Arbeitsaufteilung von den Ehegatten in wesentlichen Teilen aufrechterhalten wird (Köln FamRZ 13, 1738) und dass keine wesentlichen persönlichen Beziehungen mehr bestehen. Gelegentliche Handreichungen (München FamRZ 98, 826) oder Zugeständnisse im Interesse der gemeinsamen Kinder stehen der Annahme des Getrenntlebens aber nicht entgegen, es sei denn, die Ehegatten haben zwar getrennte Schlafzimmer, halten im Interesse der gemeinsamen Kinder jedoch den Schein der ehelichen Gemeinschaft aufrecht (Stuttg FamRZ 02, 239).
Rn 5
Fehlt es an der räumlichen Trennung, oder hat eine häusliche Gemeinschaft nie bestanden, ist maßgeblich auf die eheliche Gesinnung der Eheleute abzustellen. Der Wille, die Lebensgemeinschaft zu beenden, muss nach außen erkennbar hervortreten, etwa durch Mitteilung der Trennungsabsicht oder Stellung des Scheidungsantrages (Hamm FamRZ 90, 166; Bambg FamRZ 81, 52) oder indem ein Ehegatte den anderen auffordert, die Gemeinschaft wieder aufzunehmen, dieser sich aber weigert.
Rn 6
Ein kürzeres, der Versöhnung dienendes Zusammenleben steht der Annahme der Aufhebung der Lebensgemeinschaft nicht entgegen (§ 1567 II).
II. Nichterwartung der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft.
Rn 7
Ob die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwartet werden kann, ist durch das Gericht unter Würdigung aller Umstände des Falles zu entscheiden (BGH NJW 78, 1810). Allein die Trennung von mehr als 1 Jahr begründet für sich noch nicht die tatsächliche Vermutung des Scheiterns der Ehe (BGH FamRZ 95, 229). Erforderlich ist Sachvortrag, der dem Gericht die Analyse der ehelichen Lebensgemeinschaft und die für die Entscheidung notwendige Prognose erlaubt, während der Vortrag, die Ehe sei gescheitert oder unheilbar zerrüttet, nur eine Rechtsbehauptung darstellt (Saarbr FamRZ 10, 469).
Rn 8
Ausreichend ist die einseitige Abwendung von der Ehe und der nur bei einem Ehegatten festzustellende völlige Verlust des Gefühls für die inneren Bindungen an den anderen (BGH FamRZ 79, 422; KG NJW-RR 22, 1372; Hamm FamRZ 11, 1056; FamRZ 14, 1110 bei Zuwendung zu neuem Partner), weshalb das Scheitern der Ehe nach Ablauf des Trennungsjahres auch dann festgestellt werden kann, wenn der Antragsgegner seinen eigenen Scheidungsantrag zurückgenommen hat (KG NJW-RR 22, 1372). Auch dann, wenn die Eheleute miteinander Umgang haben, kann die Ehe gescheitert sein, wenn auf einer Seite keine Versöhnungsbereitschaft besteht, nicht aber schon bei herablassendem oder negativem Verhalten (Köln FamRZ 23, 1276). Zumeist ist die Selbsteinschätzung der Eheleute ausreichend, die durch beiderseitige Scheidungsanträge oder durch Zustimmung zum Scheidungsantrag des anderen zum Ausdruck kommt, während von übertriebenen Ermittlungen zur Ernsthaftigkeit des Verlustes der ehelichen Gesinnung abgesehen werden sollte. Verbleiben aber Zweifel am Scheidungswillen und der Zerrüttung – zB deshalb, weil die Ehegatten sich nach wie vor liebevolle und freundschaftliche Briefe schreiben (Brandbg FamRB 20, 391) – ist dem Scheidungsantrag nicht stattzugeben. Ist ein Ehegatte an Demenz erkrankt, kommt es darauf an, ob er zum Zeitpunkt der Trennung oder danach den hinreichend sicheren natürlichen Willen zur Scheidung hatte (Hamm FamRZ 13, 1889). Ist er nicht mehr in der Lage, das Wesen der Ehe und einer Scheidung zu erfassen, ist ein Zus...