Rn 4
Ein Betreuungsunterhaltsanspruch setzt voraus, dass ein geschiedener Ehegatte ein gemeinschaftliches Kind berechtigt pflegt oder erzieht und von dem geschiedenen Ehegatten aus diesem Grund keine oder keine vollschichtige Erwerbstätigkeit erwartet werden kann.
Der Anspruch setzt nicht voraus, dass die Ehegatten begonnen hatten, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu verwirklichen (BGH FuR 06, 32).
I. Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes.
Rn 5
Gemeinschaftliche Kinder sind in der Ehe geboren (§§ 1591, 1592 Nr 1) und die gemeinschaftlich adoptierten (§ 1754 I) Kinder. Voreheliche Kinder sind gemeinschaftlich, wenn nach der Geburt die Eltern heiraten (§ 1626a I Nr 2) oder die Vaterschaft anerkannt oder festgestellt wird (§ 1592 Nr 1, 3), ein Kind, das während einer früheren, durch Tod des (ersten) Ehemannes aufgelösten Ehe gezeugt, aber in einer neu geschlossenen und später wieder geschiedenen Ehe geboren wurde (§§ 1591, 1593 3), ein iR einer homologen In-Vitro-Fertilisation gezeugtes Kind, und zwar auch dann, wenn die künstliche Befruchtung gg den erklärten Willen des Ehemannes durchgeführt wurde (BGH FamRZ 01, 541; ggf aber Verwirkung, vgl BGH FamRZ 95, 861). Scheineheliche Kinder gelten so lange als gemeinschaftliche Kinder, bis die Vaterschaft eines anderen Mannes rechtskräftig festgestellt ist (§§ 1599, 1600d IV, vgl BGH FamRZ 98, 426). Bis zu diesem Zeitpunkt besteht ein Anspruch nach § 1570, sofern nicht § 1579 greift (BGH FamRZ 85, 51).
Gemeinschaftliche nicht aus der Ehe stammende Kinder geschiedener Ehegatten sind nicht als gemeinschaftliche Kinder iSd § 1570 anzusehen (BGH FamRZ 98, 426). IRd § 1570 wird an den Status der ›Ehelichkeit‹ angeknüpft. Ob dieser formale Gesichtspunkt letztlich zutr ist, kann im Regelfall dahinstellen, da die Unterhaltsansprüche des § 1570 und § 1615l durch das UÄndG 2008 weitgehend angeglichen wurden. Ersteheliche Kinder eines Ehepartners und – auch gemeinschaftlich aufgenommene – Pflegekinder sind keine gemeinschaftlichen Kinder (BGH FamRZ 84, 361). Die Betreuung nicht gemeinschaftlicher Kinder nach Scheidung begründet keinen Anspruch nach § 1570 (Kobl FamFR 10, 177), ggf aber nach § 1576 (vgl § 1576 Rn 8 ff). Die Begriffe ›Pflege oder Erziehung‹ entspr der Regelung in § 1606 III 2 und § 1626 II. ›Pflege‹ betrifft die Sorge um die körperliche und gesundheitliche Seite, ›Erziehung‹ mehr die Bemühungen um die geistige und seelische Entwicklung.
Der Betreuungsunterhaltsanspruch aus elternbezogenen Gründen besteht nur, solange der betreuende Elternteil das Kind auch tatsächlich betreut (BGH FamRZ 10, 1050). Betreuungsunterbrechungen (Krankenhausaufenthalt, Ferienaufenthalt beim anderen Elternteil etc) beeinflussen den Anspruch nicht, solange nicht eine Arbeitsaufnahme für diese Zeit möglich und zumutbar ist (Ddorf FamRZ 87, 1262). Die Tatbestandsvoraussetzungen sind auch erfüllt, wenn sich der Sorgeberechtigte bei der Pflege zeitweilig fremder Hilfe, etwa von Familienangehörigen, bedient (BGH FamRZ 81, 543). Erfolgt jedoch eine dauerhafte (Richtschnur: ab drei Monaten) Betreuungsunterbrechung oder ein entspr Betreuungswechsel, etwa Unterbringung des Kindes in einem Heim, solange nicht eine teilweise Betreuungsbedürftigkeit in den Ferien und an Wochenenden weiterhin verbleibt, oder der Besuch eines Internats, entfällt ein Anspruch aus § 1570.
Die Betreuung des Kindes muss rechtmäßig erfolgen. Dies kann auf einem Einverständnis des anderen Elternteils beruhen (§ 1627) oder auf einer vorläufigen oder endgültigen gerichtlichen Sorgeregelung (§ 1628). Für eine Übergangszeit und bis zu einer gerichtlichen Entscheidung kommt es auf die tatsächlichen Obhutverhältnisse an, sofern diese nicht arglistig oder mit Gewalt herbeigeführt worden sind (BGH FamRZ 80, 665). Von einem echten Wechselmodell kann nur bei gleicher Betreuung des oder der minderjährigen Kinder durch beide Elternteile ausgegangen werden (BGH FamRZ 15, 236; 07, 707). Eine überwiegende Betreuung durch einen Elternteil führt nicht nur zur Barunterhaltsverpflichtung des anderen Elternteils hinsichtlich des Kindesunterhalts (KG FamRZ 19, 132), sondern rechtfertigt grds auch Unterhaltsansprüche für den betreuenden Elternteil nach § 1570 (vgl BGH FamRZ 06, 1015).
II. Kindesbetreuung und Erwerbsobliegenheit.
Rn 6
Aus der Fassung des § 1570 (›solange und soweit‹) ergibt sich, dass die gebotene Betreuung (noch) einen solchen Umfang annehmen muss, dass daneben keine volle oder teilw Erwerbstätigkeit in Betracht kommt. Die Kindesbetreuung muss für die Erwerbsbeschränkung kausal sein. Innerhalb der ersten drei Lebensjahre des Kindes steht es dem betreuenden Elternteil frei, ob er das Kind selbst betreut oder anderweitige Betreuungsmöglichkeiten nutzt (BGH FamRZ 10, 1880; 10, 444). Ein gleichwohl während der ersten drei Lebensjahre erzieltes Einkommen ist damit stets überobligatorisch. Der betreuende Elternteil kann in dieser Zeit auch eine schon bestehende Erwerbstätigkeit unterhaltsrechtlich sanktionslos wieder aufgeben (BGH NJW 11, 70; FamRZ 10, 1880) und sich voll der Erziehung und Betreuung des Kindes widmen. Erzielt...